Es war immer schon ein teures Vergnügen, einen Mercedes zu kaufen. Im Elektrozeitalter wird ein sehr teures daraus. Wir fahren den Mercedes EQE SUV 350+ - er kostet ab 86.810 Euro, mit ein paar Extras landen wir im sechsstelligen Bereich. Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz - röhrte Janis Joplin in der Hippie-Ära. 50 Jahre später sitzen wir im Mercedes EQE SUV und denken uns: Oh Gott, wie sieht der denn aus? Nicht unbedingt schlecht, aber auch nicht unbedingt unverwechselbar. Oder wer kann aus dem Gedächtnis heraus schon den optischen Unterschied zwischen EQS SUV und EQE SUV erklären? Vermutlich keiner, weil die beiden Autos fast gleich aussehen, nur einer davon ist größer. Das Interieur des EQE SUV, also des kleineren, ist jedenfalls beeindruckend.
Das Armaturenbrett erinnert uns an die gute alte Wohnzimmer-Schrankwand der 70er Jahre. Im Mercedes-Cockpit versteckt sich allerdings kein Grundig-2000-Farbfernseher, sondern gleich mehrere Bildschirme. Hyperscreen nennt man das System mit digitalem Tacho, fettem Infotainment-System, Beifahrer-TV und Head-up-Display. Die Augen wandern verzweifelt über die Informationslandschaft auf der Suche nach Halt. Stopp! Das alles ist der Zug der Zeit, möglicherweise delektiert sich die neue Mercedes-Luxus-Kundschaft an derlei digitalem Zierrat, doch wie fährt sich der EQE? 2,4 Tonnen, 292 PS - erstaunlich, dass wir in 6,9 Sekunden von 0 auf 100 sind. Fährt flüsterleise, fühlt sich komfortabel an, aber nicht wirklich gut, weil die Elektronik permanent bemüht ist, das Nicken und Wanken der Wuchtbrumme unter Kontrolle zu halten. Unser Fazit: Ohne Zweifel ist dieser Elektro-Benz mit seiner theoretischen Reichweite von 614 Kilometern ein gutes Produkt. Aber ob Janis Joplin auch heute noch ihr „Oh Lord...“ anstimmen würde, es käme auf einen Versuch an.
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Erschienen im Tagesspiegel am 24.06.2024
