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Regensburg: Boomtown, Wirtschaftszentrum und Start-up-Wiege
Regensburg: Boomtown, Wirtschaftszentrum und Start-up-Wiege

Die bayerische Donaumetropole hat sich zu einem Zentrum der Biowissenschaften und Biotechnologien entwickelt. Foto: UR

LEBEN UND ARBEITEN IN DER OBERPFALZ

Regensburg: Boomtown, Wirtschaftszentrum und Start-up-Wiege

Die bayerische Donaumetropole hat sich zu einem Zentrum der Biowissenschaften und Biotechnologien entwickelt und damit auch zu einem bedeutenden Arbeitgeber und Impulsgeber in der Region

Regensburg ist mit seiner zweitausendjährigen Geschichte eine der ältesten deutschen Städte – gleichzeitig ist die Stadt jung, innovativ und aufregend. Einer der Gründe: Die bayerische Donaumetropole hat sich zu einem Zentrum für Biowissenschaften und Biotechnologien entwickelt – Schlüsseltechnologien für die kommenden Jahrzehnte, wie die Pandemie der Jahre 2020/2022 bewiesen hat. Mehr noch: Regensburg mit seinen knapp 170.000 Einwohnern hat sich zu einer Boomtown und Start-Up-Wiege entwickelt, als Wirtschaftszentrum für ganz Ostbayern und die angrenzenden Regionen in Tschechien und Österreich. Speziell als Gesundheitsstandort. Mit 1,4 Milliarden Euro Umsatz und insgesamt fast 16.000 Beschäftigten hat sich diese Branche zu einem bedeutenden Arbeitgeber und Motor in Regensburg entwickelt.

Vorab einige Informationen für Nicht-Fachleute: Technologieorientierte Biowissenschaften zeichnen sich durch ein interdisziplinäres Vorgehen aus, die idealerweise zu praktischen Anwendungen führt, zum Beispiel Impfstoffe und Medikamente. Dabei kooperieren Forscherinnen und Forscher aus Biologie, Medizin, Pharmazie, Biochemie oder auch Genetik und Bioinformatik – um nur einige zu nennen. Bei der Umsetzung stoßen Fachleute etwa aus den Ingenieurwissenschaften dazu. Die Regensburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich unter anderem mit der Nutzung von Enzymen, Zellen und ganzen Organismen in technischen Anwendungen. „Biotechnologie“ wird schon seit Jahrtausenden genutzt: etwa bei Gär- und Brauverfahren bei Bier oder Wein. Forschungsfelder, die auch von den Regensburgern sozusagen beackert werden. Doch geht es auch um neue oder effizientere Verfahren zur Herstellung von Insulin, Impfstoffen oder auch Bioethanol sowie um die Entwicklung von Diagnosemethoden für Blutzucker, Krebs oder Herzinfarkt. Alles Beispiele, die auf der Seite www.biopark-regensburg.de nachzulesen sind.

Ein besonderes Merkmal des Biowissenschafts- und Biotechnologie-Standorts Regensburg sind die kurzen Wege auf dem Regensburger Campus das rund 150 Hektar große Areal fungiert gleichermaßen als Heimat für die aktuell 20.800 Studierenden der Universität Regensburg (UR) und der 11.200 Studierenden der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) sowie der circa 3000 Expertinnen und Experten, die dort in Forschung, Lehre und Verwaltung arbeiten. Darunter auch die Förderprofis der kommunalen Gründer- und Technologiezentren BioPark und TechBase, beides Unternehmen der Stadt Regensburg (zu beiden gleich mehr). Unmittelbare Nachbarn des Uni-Campus' sind im Süden das Universitätsklinikum Regensburg (kurz: UKR) mit 5000 Mitarbeitenden und das Bezirksklinikum im Westen mit 2700 Mitarbeitenden – es ist als „Medbo“ bekannt, ein Akronym von „Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz“.

Eng verknüpftes Know-how-Netzwerk

Mit einem Wort: (Bio-)Medizinische Lehre, Forschung, Entwicklung und Praxis sind in Regensburg gebündelt wie nur an wenigen Orten in Deutschland und wohl auch Europa.

Der Startschuss für dieses eng verknüpfte Know-how-Netzwerk fiel vor genau 25 Jahren, als die Stadt Regensburg im Jahre 1999 die BioPark Regensburg GmbH gründete. Schon damals mit dabei: Dr. Thomas Diefenthal, der Geschäftsführer der kommunalen Firma, ein Biologe mit Schwerpunkt Genetik, der am Kölner Max-Planck-Institut tätig war und in den 1990er-Jahren selbst eine Biotech-Firma gegründet hatte. Diefenthal erklärt: „Unsere Kernaufgabe ist die Förderung der Biotechnologie, Medizintechnik, Diagnostik und Analytik sowie der Gesundheitswirtschaft am Standort und in der Region.“ Dazu betreibt die BioPark GmbH drei Labor-Gebäude mit einer Fläche von insgesamt 18.000 Quadratmetern, davon 5400 Quadratmeter hochwertige Labore. Hier entwickeln derzeit 37 Mieter mit rund 680 Mitarbeitenden neue Produkte und Therapien und erarbeiten Lösungsansätze zum Thema Gesundheit entlang der Wertschöpfungskette von der Forschung bis zum Patienten.

Zum anderen koordiniert die BioPark GmbH das Clustermanagement der „Bio-Regio Regensburg“; ein von der EU zertifizierter Biotechnologie-Cluster mit zwei Dutzend Standorten in Niederbayern und der Oberpfalz. Mit 60 Firmen und 5700 Beschäftigten stellt die BioRegio Regensburg den zweitgrößten Cluster seiner Art in ganz Bayern dar. Darunter sind Start-ups, universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen, Firmen aus dem In- und Ausland sowie Dienstleister und sogar eine eigene Kindertagesstätte. Nur in München sitzen mehr einschlägige Betriebe. Allerdings nicht auf einem Campus. Einer der Erfolgsfaktoren der ostbayerischen BioRegio ist ihre grenznahe Lage: Von Regensburg sowie von BioRegio-Standorten wie der Universität Passau oder der Hochschule Amberg-Weiden ist es ein Katzensprung nach Österreich und Tschechien. Die BioRegio Regensburg versteht sich daher als „Tor zum Osten“.

Innovative Köpfe

Das ostbayerische Biotech-Netzwerk wurde schon mehrfach von der European Cluster Excellence Initiative ausgezeichnet. Ein anderer Erfolgsfaktor der Regensburger Initiative ist der frühe Zeitpunkt, an dem sich die Stadt und ihre Hochschulen für einen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkt „Biotechnologie“ entschieden hatten. Denn um die Jahrtausendwende stürzten sich Investoren mit Vorliebe auf Klein- und Kleinstfirmen, die irgendetwas mit dem gerade erst populär werdenden Internet zu tun hatten. Die Folge war die sogenannte „Internet-Blase“, in der sich große Summen von Wagnis-Kapital in Luft auflösten. In Regensburg arbeitete man derweil nachhaltig weiter und förderte mit Knowhow und Bedacht die lokale Gründerszene. So ging die Geneart AG, eine Ausgründung der Uni Regensburg, die sich durch die Herstellung synthetischer Gene einen Namen gemacht hatte, schon 2006 in Frankfurt an die Börse. Seit April 2010 gehören die Regensburger mehrheitlich US-Konzern Life Technologies, der 2014 wiederum von Thermo Fisher Scientific, auch eine US-Unternehmensgruppe, übernommen wurde. Zu den weiteren Erfolgsgeschichten zählt die Amgen Research GmbH (ehemals Tularik GmbH), die im Jahr 2000 in Regensburg gegründet wurde, als Tochter des gleichnamigen US-Unternehmens. Inzwischen arbeiten für die Amgen Research GmbH rund 650 Personen in Deutschland (allerdings in München). Im Nordosten des Regensburger Campus hat die oben schon erwähnte TechBase ihren Sitz, ein Innovations- und Gründerzentrum, gemanagt durch die städtische R-Tech GmbH. Deren Schwerpunkt liegt bei Start-ups im Bereich der Software-, Web- und App-Entwicklung. Klar, dass KI- und Data Science-Youngster und -Profis gefördert werden, ebenso innovative Köpfe in den Feldern Automotive, Energie- und Umwelttechnologien, Sensorik, Maschinenbau, Robotik, Additive Fertigung, IT-Sicherheit oder auch E-Logistics und E-Mobility.

Die TechBase-Gründung war ein weiterer cleverer Zug der Stadt und ihrer Hochschulen – schließlich haben sich hier innovative Konzerne wie BMW, BSH Hausgeräte, Osram, Infineon, Continental und Siemens angesiedelt, zusammen mit weltweit tätigen Spezialisten wie Dallmeier Electronic, Krones, Omniga, One Vision Software, SGB-SMIT, Schneider Electric Energy, Vector Informatik und viele mehr. Die TechBase vermietet nicht einfach leere Räume zu günstigen Preisen, sondern stellt ein „agiles Ökosystem für Innovation und Gründung“ zur Verfügung, wie es auf www.techbase.de heißt. Neben 300 Büros stehen zusätzlich 1000 Quadratmeter Werkstatt- und Laborfläche für temporäre Forschungsteams aus den Hochschulen und Start-ups zur Verfügung. Es seien schon einige Spin-offs aus den Forschungsprojekten entstanden, erklären die TechBase-Veranwortlichen. Ein besonderes Angebot für alle Tüftler und Erfinder sei zudem die „Startup Garage“: Auf den Spuren von Bill Gates und Steve Jobs können hier Arbeitsplätze mit technischer Infrastruktur angemietet werden.

Die BioPark Regensburg GmbH stellt Co-Working-Räume, Büros, Labore und Werkstätten zur Verfügung. Sie unterstützt Gründerinnen und Gründer aktiv mit ihrem Healthcare Accelerator-Programm „BioPark Jump“, dem Mentorenkreis „BioPark Brain 8 Network“ und dem „BioPark-Innovationspreis“ an den Hochschulen. Beide städtische Firmen beraten grundsätzlich kostenlos, die Unterstützung ist Teil der Wirtschaftsförderung am Standort. 

Horst Kramer

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 04.05.2024

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