Innerhalb weniger Tage landete das neue Buch „Kopf hoch“ des Regensburger Neuromediziners und Wissenschaftlers Professor Volker Busch auf der Spiegel-Bestsellerliste. Mit dem Thema „Mentale Gesundheit“ scheint er den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Für jeden verständlich, humorvoll und mit vielen Erkenntnissen aus der Wissenschaft gestützt, erklärt er, warum gerade in instabilen Zeiten kleine Unsicherheiten wichtig sind, was es mit dem Grübeln auf sich hat und warum Lachen auch in schwierigen Phasen guttut.
In unsicheren Zeiten scheint Stabilität und Sicherheit im Alltag ein wichtiger Gegenpol. Sie plädieren in ihrem neuen Buch dennoch dafür, ein wenig Unsicherheit zuzulassen. Warum?
Professor Volker Busch: Natürlich braucht der Mensch Sicherheit und Stabilität, wenn in der Welt vieles ,ver-rückt' erscheint. Wenn aber dennoch Unsicherheit auftritt, brauchen wir uns davor nicht zu fürchten. Denn eine leichte Unsicherheit hat viele Vorteile, sie eröffnet Kraftquellen im Gehirn, macht uns präzise, kreativ und aufmerksam, schärft die Sinne und versetzt uns in einen Entdeckungsmodus.
Was passiert dabei in unserem Körper?
Bei Unsicherheit reagieren Stresszentren, die den Körper in einen Aktivierungszustand versetzen und leistungsfähig machen, bis sich die Lage wieder beruhigt. Diese Wellenbewegung liegt in der Natur des Menschen. Zum Leben gehören Kurven, ob etwa in der Liebe, in wirtschaftlicher Hinsicht oder bei gesundheitlichen Fragen. So ist es zum Beispiel auch bei den meisten Krankheiten. Sie kommen und gehen, und fast immer gibt es Möglichkeiten, etwas dafür tun, dass der Körper wieder zur Ruhe kommt.
Was, wenn aus Unsicherheit Angst wird?
Das wichtigste Mittel, das wir einsetzen können, damit das nicht passiert, ist unser Verstand. Er bildet das entscheidene Gegengewicht gegen übertriebene Gefühle wie zum Beispiel Angst.
Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten zum Beispiel, an einen Ort zu gehen, an dem sie noch nicht waren, den sie aber als angenehm empfinden - ein Waldstück, einen Baggersee, die Berge, den Nachbarort -, dort die Sorgen und Gefühle Schritt für Schritt durchzugehen und ihnen den Verstand entgegen zu setzen.
Wie genau geht das?
Erstens sich fragen: Wovor habe ich Angst; ist es wirklich so schlimm oder gibt es die Möglichkeit, dass ich mich irre? In vielen Fällen hilft das bereits, die Angst zu reduzieren. Zweitens sich überlegen: Was kann ich tun, zum Beispiel um eine Beziehung zu retten oder gesundheitliche Probleme anzugehen? Diese Überlegungen sind deswegen so wichtig, weil sie aus dem Ohnmachtsgefühl befreien, das die Angst produziert. Drittens sich das Worst-Case-Szenario vorstellen und überlegen, was könnte ich der Situation dennoch irgendwie abgewinnen? Untersuchungen zeigen, dass dadurch die Fallhöhe niedriger wird, sollte der schlimmste Fall tatsächlich eintreten.
Manchmal lassen sich Gedanken einfach nicht abschalten. Wir grübeln und grübeln. Wie finden Menschen da wieder heraus?
Das Grübeln verselbstständigt sich vor allem dann, wenn wir nichts tun. Wenn wir aber ins Handeln kommen, etwas erschaffen, handwerklich tätig sind, geht es uns besser. Im Gehirn sind beim Grübeln besonders die Zentren aktiv, die das selbstreferenzielle Denken stärken. Das Motto lautet also: Handeln statt Hadern. Denn sobald wir etwas tun, signalisiert uns das Gehirn einen Erfolg und macht die Angst kleiner.
Sie widmen ein Kapitel in Ihrem Buch dem Thema Humor. Wie hilft Humor in Krisen?
Humor zu entwickeln, heißt dem Leben spielerischer, freier zu begegnen, immer mit der Bereitschaft, einen Schritt zurückzutreten und die Perspektive zu ändern. Es geht darum, eine gewisse Leichtigkeit zu finden, auch in Situationen, die schwer sind. Humor ist ein Denkstil, eine Kunst, mit dem Leben umzugehen und zu den Dingen zurückzufinden, die einem selbst und anderen Freude machen. Gerade in Krisen kann Humor dazu beitragen, sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen, indem man in schlimmen Situationen das Komische sucht und sich daran festhält.
Interview: Nicola Jacobi
„Kopf hoch! Mental gesund und stark in herausfordernden Zeiten“ von Professor Volker Busch ist erschienen bei Droemer Knaur, 352 Seiten, ISBN 978-3-426-27916-8
Über Professor Volker Busch
Volker Busch ist seit mehr als zwanzig Jahren als Arzt, Wissenschaftler, Autor, Podcaster und Vortragsredner tätig. Als Leiter einer neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppe an der Klinik für Psychiatrie der Universität Regensburg erforscht er die psychophysiologischen Zusammenhänge von Stress, Schmerz und Emotionen. Therapeutisch arbeitet er mit Menschen, die unter Stress, Depression, Erschöpfung oder anderen Belastungen stehen. jac
Mehr zu Volker Busch, zu seinen Büchern und seinem Podcast unter: https://drvolkerbusch.de
Erschienen im Tagesspiegel am 17.05.2024