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Prof. Stephan Kippes im Interview über Koalitionspläne und Bauturbo

PROF. STEPHAN KIPPES, LEITER DES IVD INSTITUTS – GESELLSCHAFT FÜR IMMOBILIENMARKTFORSCHUNG UND BERUFSBILDUNG IN MÜNCHEN, PROFESSOR AN DER HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFT UND UMWELT NÜRTINGEN-GEISLINGEN (HFWU). FOTO: F. HELLER

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Prof. Stephan Kippes im Interview über Koalitionspläne und Bauturbo

Das Koalitionspapier der Bundesregierung im Fokus: Der Leiter des IVD-Instituts bewertet geplante Maßnahmen für Bau und Wohnen – Chancen, Kritik und Auswirkungen auf die Branche.

Das Koalitionspapier der zukünftigen Bundesregierung wurde kürzlich verabschiedet. Experten aus den Bereichen Bauen, Wohnen und der Immobilienwirtschaft ziehen ein gemischtes Fazit. Gemeinsam mit Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Instituts, ordnen wir zentrale Kriterien ein und beleuchten die Auswirkungen auf Branche und Markt.

Welche Ausführungen der im Koalitionsvertrag vorgestellten Pläne für Bauen und Wohnen sehen Sie besonders kritisch?

Prof. Stephan Kippes: Die angedachten Regelungen im Mietrechtsbereich sind kritisch zu bewerten. Problematisch ist zudem, dass das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten gestärkt werden soll. Dies möchte man über eine Vereinfachung eines preislimitierten kommunalen Vorkaufs erreichen. Ich erwarte eine Prozesswelle hinsichtlich der Kaufpreise. Bei Vorkaufsrechten sollte der zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien vereinbarte Preis ausschlaggebend sein.

Versuchen wir die Maßnahmen konkret einzuordnen. Um endlich schneller und effizienter zu bauen, will man das Baugesetzbuch in zwei Schritten novellieren. Was soll hier genau geändert werden, und welche Konsequenzen hätte das?

Schritt I umfasst den „Bauturbo“, der durchaus zu begrüßen ist, sofern die Kommunen ihn tatsächlich nutzen. Die Verlängerung der Umwandlungsbeschränkung nach $250 BauGB sehe ich jedoch äußerst skeptisch, weil hierdurch das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) konterkariert wird. Schritt 2 beinhaltet eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens. Sie ist sinnvoll, doch bei der Umsetzung hätte ich mir eine stärkere Berücksichtigung des Themas Nachverdichtung gewünscht.

Gleichwohl soll eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive den Bauturbo zünden. Kann dies gelingen?

Die Begriffe „Offensive“ und „Turbo“ fallen zunächst durch ihre Wortwahl auf. Über die Jahre habe ich viele dynamisch klingende Programmnamen gehört. Entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung, die derzeit nur vage erkennbar ist. Das Wort „Entbürokratisierung“ gehört seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire von Grundsatz- und Wahlprogrammen. Wir haben gesehen, in welche Richtung es bisher ging.

Es wird angestrebt, im Schulterschluss mit der Wohnungswirtschaft die Finanzierungskosten so zu senken, dass „in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 Euro pro Quadratmeter entstehen können“. Halten Sie das, insbesondere für den Münchner Markt, für realisierbar?

Das erinnert mich leider ein wenig an die ursprünglichen Pläne der Ampelregierung, 400.000 Wohnungen zu errichten und zusätzlich 100.000 Sozialwohnungen zu schaffen. Das klang vielversprechend und war dringend notwendig. Doch die Immobilienbranche machte von Anfang an deutlich, dass dieses Ziel völlig unrealistisch ist. Das Ergebnis kennen wir heute. Andererseits: Ohne ehrgeizige Ziele bewegt sich gar nichts. Abseits von Koalitionsverträgen bin ich glühender Optimist – aber die 15-Euro-Marke bleibt schwierig. Zum Vergleich: Die Miete mittlerer Wohnwert-Neubauten liegt in München nach aktuellen Zahlen des IVD bei 22,20 Euro deutlich darüber. Der Baugrund ist eines der größten Probleme.

Angekündigt wurde ebenfalls ein einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturvorhaben, Reduzierung von Verfahrensstufen und eine vollständige Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Sehen Sie die Verwaltungsämter auf die Lawine vorbereitet?

Diese Maßnahmen sind absolut notwendig, aber ich sehe hier gravierende Probleme: Sie sind chronisch unterbesetzt, finden kaum Fachpersonal, und die Digitalisierung hinkt weit hinterher. Daher hat mich die Idee von Ministerpräsident Söder überrascht, KI-Lösungen für Baugenehmigungsverfahren einzusetzen. Das klingt zwar zielführend, würde jedoch zig notwendige Digitalisierungsstufen überspringen – so einfach funktioniert das nicht.

Der Immobilienverband Deutschland (IVD) resümiert das Programm mit einem Schritt vor und zwei zurück. Bleibt für Sie der große Befreiungsschlag für den Wohnungsneubau aus?

Das Resümee trifft den Kern leider genau. Dabei wären dringend mehrere Schritte nach vorne nötig.

Deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind die Maßnahmen zur Förderung der Eigentumsbildung. Können Sie den Begriff „Mottenkiste“ bestätigen?

Das ist eine deutliche Einschätzung, denn viel Inhalt zur Eigentumsbildung enthält der Koalitionsvertrag tatsächlich nicht. O-Ton: „Zur Wohneigentumsbildung für Familien (...), zur Neubauförderung und zur Sanierung bestehenden Wohnraums werden steuerliche Maßnahmen verbessert, eigenkapitalersetzende Maßnahmen geschaffen und die Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken geprüft.“ Das Wort „geprüft“ taucht insgesamt neunmal im Koalitionsvertrag auf. Häufig bedeutet es bestenfalls Verzögerung statt Umsetzung.

Eine positive Perspektive zum Abschluss!

Ich nehme viel guten Willen wahr, aber gute Vorsätze gab es in der Vergangenheit reichlich. Jetzt brauchen wir Taten, um den Wohnungsmarkt endlich anzukurbeln. Ich hoffe daher, dass nun wirklich gehandelt wird.

INTERVIEW: KELLY KELCH

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 03.05.2025

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