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Privatdozentin Dr. Lucia Gerstl: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Interview: Dr. Lucia Gerstl erläutert die Besonderheiten der Pediatric Stroke Unit

Je länger Diagnose und Akuttherapie auf sich warten lassen, desto größer ist die Gefahr, dass eine vollständige Genesung ausbleibt. Mit welchen Einschränkungen muss ein betroffenes Kind dann zurechtkommen?

Privatdozentin Dr. Lucia Gerstl: Das hängt davon ab, welche Gehirnregion betroffen ist. Einige Spätfolgen beobachten wir jedoch besonders oft, allen voran eine spastische Halbseitenlähmung in Armen und Beinen, epileptische Anfälle oder auch Sprach- und Sehstörungen. Verhaltensauffälligkeiten und kognitive Beeinträchtigungen wie Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sind ebenfalls häufig. Das spiegelt sich dann zum Beispiel in Lernschwierigkeiten und Auffassungsproblemen in der Schule wider. Die Gefahr für negative Auswirkungen auf die Kognition steigt, je jünger ein Kind zum Zeitpunkt des Akutereignisses ist. Umso wichtiger ist es, dass ein kindlicher Schlaganfall frühestmöglich erkannt und behandelt wird. Dann verringert sich auch die Gefahr für bleibende Langzeitfolgen.

Wie wird ein Schlaganfall im Kindesalter behandelt?

Idealerweise ist die Zeit bis zu Diagnose und Therapiebeginn so gering, dass alle Therapieoptionen der Akuttherapie beim ischämischen Schlaganfall noch möglich sind: entweder eine medikamentöse Gerinnselauflösung in Form der Lysetherapie, oder die mechanische Entfernung des Blutgerinnsels, also eine Thrombektomie zur Wiederöffnung eines verstopften Hirngefäßes durch den Neuroradiologen. Abhängig davon, wie gut sich das Kind erholt, folgt entweder ein stationärer Aufenthalt in einer Reha-Klinik oder eine ambulante Rehabilitation im Sozialpädiatrischen Zentrum.

Gehört auch die Nachbetreuung zu den Aufgaben der Pediatric Stroke Unit?

Ja, unser Stroke-Team begleitet unsere jungen Schlaganfallpatienten und ihre Familien von Beginn der Akutversorgung an bis zum Ende der Nachbetreuung, die meist über viele Jahre geht. Hierfür stehen wir mit den Kolleginnen und Kollegen des MUC-integrierten Sozialpädiatrischen Zentrums im Dr. von Haunerschen Kinderspital einschließlich wöchentlich stattfindender Stroke-Boards zur Verfügung. Die Qualität dieser Versorgung geht nur im universitären Team mit einer bestimmten Größe: immer Basketball-, manchmal sogar Fußballmannschaftsgröße.

Nicole Schaenzler

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 17.05.2024

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