Für Passau als Dreiflüssestadt gehört Hochwasser seit jeher dazu. Die Stadt und ihre Bewohner haben gelernt, damit umzugehen. Fluten wie im Jahr 2013 oder dieses Jahr im Juni sind dennoch eine Herausforderung. Von Panik kann aber nicht die Rede sein. Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper erklärte, Katastrophenalarm werde nicht ausgerufen, weil die Lage nicht unter Kontrolle sei, sondern um mehr Möglichkeiten zu haben, Kräfte für die Zeit nach dem Hochwasser, wenn aufgeräumt werden muss, zu mobilisieren.
Das Juni-Hochwasser 2024 begann am selben Tag wie das Jahrhunderthochwasser 2013: am 3. Juni. Ausdauernde Regenfälle in den Einzugsgebieten von Donau und Inn kündigten große Wassermengen an – schon liefen die Vorbereitungen in der Stadt auf Hochtouren: Bewohner in Ufernähe der drei Passauer Flüsse wurden gewarnt, Sandsäcke verteilt, Hochwasserschutzwände aufgestellt, Parkplätze gesperrt, Keller geräumt. Insgesamt waren rund 1400 Einsatzkräfte im Einsatz – Feuerwehr, Wasserwacht, Malteser, DLRG, THW und natürlich auch die Stadt selbst mit dem Bauhof, der Stadtgärtnerei sowie dem gesamten Katastrophenstab.
Das Problem ist der Inn
Ihre geografische Lage macht die Stadt anfällig für Überflutungen. Wo sich drei Flüsse kreuzen, ist das Potenzial hoch, dass bei entsprechenden Witterungsverhältnissen einer der drei so weit ansteigt, dass das Wasser über die Ufer tritt. Führen mehrere Flüsse Hochwasser, versinken die ufernahen Bereiche in den Fluten, die Altstadt gehört dazu. Weil die Stadt zudem umgeben ist von Steilhängen und die Flussufer stark besiedelt sind, hat das Wasser kaum Ausweichmöglichkeiten und breitet sich auf Straßen, Gassen und Plätzen aus. Laut Angaben der Stadt Passau geht man anhand der aktuellen Überschwemmungskarte davon aus, dass beim Hochwasser im Juni dieses Jahres rund 500 Gebäude betroffen waren, inklusive Garagen, Lagerflächen und ähnliches.
Überschwemmungen wie dieses Jahr kommen vor allem dann zustande, wenn die Scheitelwellen von Inn und Donau aufeinandertreffen. Der Inn, der zwar kleiner scheint, aber bei Hochwasser etwa doppelt so viel Wasser führt wie die Donau und außerdem mit einer enormen Fließgeschwindigkeit in Passau ankommt, staut dann das Wasser der Donau zurück, die wiederum verhindert, dass die Fluten der Ilz ablaufen können. „Dass die Donau aufgrund von verschiedensten Ereignissen im Oberlauf oftmals mehr Wasser nach Passau bringt, kann relativ gut vorhergesagt werden“, erklärt Pressesprecherin der Stadt, Maria Proske. Die Phase, die über ein normales Hochwasser hinausging, dauerte etwa zehn Tage, danach gab es immer noch kleinere Sperrungen, so dass die Hochwasserdauer etwa 14 Tage betrug. „Das ist schon ungewöhnlich lange“, so Proske. „In diesem Fall trat der unglückliche Zustand ein, dass der Scheitel der Donau mit einem Scheitel des Inns zusammentraf. Deshalb lag die Höchstmarke bei 10,01 Metern, obwohl zunächst von einem Peak von rund 9,5 Metern ausgegangen wurde.“
Seit der Hochwasserkatastrophe 2013 wurde laut Angaben der Stadt Einiges unternommen, um sich besser zu schützen: die Infrastruktur (z. B. Kläranlage, Stromversorgung, Trinkwasserversorgung) ertüchtigt, Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt, der Hochwassereinsatzplan angepasst. Weitere Maßnahmen wie ein baulicher Hochwasserschutz im Bereich der Oberen Donaulände sind gemeinsam mit dem Freistaat Bayern in Vorbereitung.
An der Mauer des Alten Rathauses kann man an einer Pegelstandsleiste die Wasserstände der schlimmsten Hochwasserkatastrophen in Passau ablesen. Die erste datiert aus dem Jahr 1501, in der jüngeren Vergangenheit mussten dort gleich zwei neue Striche eingezeichnet werden, 1954 und 2013. Der Pegelstand der Donau wurde am 3. Juni 2013 mit 12,89 Meter gemessen, der Inn erreichte einen historischen Rekord von 10,20 Meter. Im Juni 2024 überschritt die Donau knapp die Marke von 10 Metern.
Nicola Jacobi
Erschienen im Tagesspiegel am 13.07.2024