In München herrscht nach wie vor zu dicke Luft. Zu lange wurde das Thema der Luftreinhaltung vernachlässigt, als dass auf die Schnelle die Grenzwerte unterschritten werden könnten. Bereits 2018 hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München einen „Masterplan Luftreinhaltung“ beschlossen. Anders als der Luftreinhalteplan ist der Masterplan aber kein rechtlich bindendes Gesamtplanwerk nach Paragraph 47 Bundes Immissionsschutzgesetz. So eine Einschränkung verheißt in der Regel nichts Gutes. Aber selbst wenn es bindend wäre, könnte saubere Luft in der deutschen Stauhauptstadt nicht erreicht werden. So heißt es auf dem offiziellen Stadtportal dazu: „Zur Einhaltung der Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet wäre aber selbst eine weitestgehende Umsetzung der insgesamt 490 Millionen Euro teuren Maßnahmenpakete des Masterplans nicht ausreichend.“ Im Klartext: Die Lage ist aussichtslos!

Der Ansatz des Masterplans war sicher nicht falsch. Das vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München beauftragte renommierte Verkehrsplanungsbüro gevas humberg & partner sollte referatsübergreifend alle stadtweiten Aktivitäten zur Luftreinhaltung sammeln, weiterentwickeln und optimal vernetzen. Diese Grundlage sollte mitunter die Voraussetzung zur Bewerbung um Fördermittel aus dem 2,5 Milliarden Euro schweren Förderprogramm des Bundes „Sofortprogramm saubere Luft 2017 bis 2020“ schaffen, war dann aber dafür nur teilweise nötig. So entstand jedenfalls ein detaillierter Masterplan GCP (Green City Masterplan) mit 127 Einzelmaßnahmen in den Handlungsfeldern öffentlicher Personennahverkehr, Radverkehr, Elektromobilität, Verkehrsmanagement, Mobility Sharing und Pooling, Parkraummanagement, Stadtlogistik und Mobilitätsmanagement.
Interessanterweise wird die Schuld an der Emission von Abgasen und Feinstaub ausschließlich dem Verkehr zugemessen. Bereiche wie Industrie, Bau, Heizanlagen oder Energieerzeugung werden noch nicht einmal erwähnt. Und auch der Luftreinhalteplan München auf Basis der EU-Richtlinie 2008/50/EG beschränkt sich ausschließlich auf die Luftbelastung durch den Verkehr. Aufgrund der seit 2010 anhaltenden Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitung besteht für die Landeshauptstadt München die Pflicht, den Luftreinhalteplan weiter fortzuschreiben. Die Ergebnisse bleiben weiterhin überschaubar. Das bedeutet allerdings nicht, dass nichts unternommen wird, sondern dass die Zunahme an Wirtschaftsunternehmen und Bevölkerung rascher voranschreitet, als die Maßnahmen des Verkehrsentwicklungsplans greifen. Was zum Teil bedeutet, dass Maßnahmen zur Luftreinhaltung zum Zeitpunkt ihrer Umsetzung bereits unzureichend sind.
Ein entscheidendes Element im Masterplan stellt zweifelsohne das „integrierte Handlungsprogramm zur Förderung der Elektromobilität in München“ (IHFEM) dar. In diesem Bereich wurden zehn Handlungsfelder definiert, die vor allem mit diversen Förderprogrammen angegangen werden sollen. Die zehn Handlungsfelder neben bereits laufenden Maßnahmen sind: Mobilitätsmanagement/Carsharing (Bündelung verschiedener Mobilitätsbausteine), Pendler (P+R-Stellplätze), E-Taxi, Elektrozweiräder (Verleihsystem des MVG), öffentlicher Personennahverkehr (Elektrobusse), innerstädtischer Wirtschaftsverkehr (E-Fahrzeuge), städtischer Fuhrpark, Laden und Parken (Infrastruktur), Bildung/Forschung/Kommunikation (Unterstützungsleistungen) sowie Private-Public-Partnership (private Infrastruktur).
Das alles klingt zwar nicht besonders innovativ, wäre aber schon ein guter Einstieg, eine Basis für weitreichendere Maßnahmen. Aber schon hier geht es nur schleppend voran. Allerdings basiert ein wesentlicher Teil des Plans auf den Emissionen des motorisierten Individualverkehrs. Solange also die Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung deutlich Wünsche offen lässt, bleibt ein noch so guter Plan aussichtslos. Es wird daher noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, bis das „Strategiekonzept des Masterplans“ messbare Wirkung zeigt.
REINHARD PALMER
Erschienen im Tagesspiegel am 06.04.2024