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Minimal-invasiv und schonend

Eine Operation am offenen Herzen kann heute minimal-invasiv weitaus schonender durchgeführt werden. Diese Methode ist allerdings längst nicht für alle Eingriffe am Herzen geeignet. Foto: Adobe Stock

Forum Spitzenmedizin

Minimal-invasiv und schonend

Bestimmte Herz-Operationen können per Minithorakotomie ohne Brustbeinschnitt durchgeführt werden

Offene Herz-Operationen sind die von Patienten wohl am meisten gefürchteten Eingriffe: Der 15 bis 25 Zentimeter lange Schnitt, die Durchtrennung des knöchernen Brustbeins (Sternotomie) und die Operation am eröffneten, blutentleerten Herzen stellen einen massiven Eingriff dar - schließlich ist das Herz das wichtigste Organ des Menschen. Nach einer schweren Herz-OP kann es sogar zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit Wesensveränderungen, Ängsten oder Depressionen kommen. Dazu kommt die Furcht vor einem lange andauernden Gesundungsprozess. Tatsächlich dauert die stabile Verheilung des Brustbeins wie bei jeder anderen Knochenverletzung bis zu acht Wochen, in seltenen Fällen kann es viele Monate nach der Operation noch zu Schmerzen oder Missempfindungen im Brustbein aufgrund der eingebrachten Drahtcerclagen kommen. Wegen der muskuloskelettalen Durchtrennungen sind die Patienten post-operativ vor allem beim Heben der Arme, Drehen der Schultern gegen das Becken und beim Tragen eingeschränkt.

Mittlerweile Standard

Inzwischen gibt es ein weitaus schonenderes Verfahren - die Minithorakotomie. Diese minimal-invasive Technik verschafft Zugänge für Herzoperationen, ohne den Brustkorb öffnen zu müssen - etwa für die Reparatur oder den Ersatz der zwischen Vorhof und Kammer liegenden Mitralklappe oder Trikuspidalklappe. An vielen Kliniken in Deutschland werden solche OPs seit einigen Jahren standardmäßig durchgeführt, im Herz-Thorax-Zentrum am Klinikum Fulda wird nach eigenen Angaben inzwischen sogar der Großteil der Patienten mit diesem schonenden Verfahren behandelt. Auf eine Durchtrennung des Brustbeins wird dabei vollständig verzichtet. Stattdessen eröffnet das OP-Team den Brustkorb über eine kleine seitliche Öffnung zwischen den Rippen, wofür nur eine vier bis fünf Zentimeter lange Inzision unterhalb der rechten Brustwarze nötig ist. Durch die Öffnung wird entweder unter Sicht direkt operiert oder ein Endoskop bis zum Herzen geschoben, über das Operationsinstrumente eingeführt werden. Für ein perfektes kosmetisches Ergebnis wird der Hautschnitt bei Frauen in der Brustfalte durchgeführt. Ein analoger Zugang auf der linken Seite dient für minimal-invasive koronare Bypassoperationen (MIDCAB = minimally invasiv direct coronary artery bypass grafting). Auch für Operationen an der Aortenklappe gibt es inzwischen ebenfalls minimal-invasive Lösungen, wie das Herz-Team des Klinikums Fulda berichtet: Diese würden statt über eine partielle obere Sternotomie in letzter Zeit zunehmend über einen seitlichen Schnitt unterhalb der rechten Achselhöhle, die sogenannte axilläre Minithorakotomie, durchgeführt. Auch hier wird das Brustbein nicht eröffnet und der kurze Schnitt ist später unter dem rechten Arm kaum zu erkennen. Bei den meisten Operationen mit Eröffnung der Herzhöhlen ist die Hilfe der Herz-Lungen-Maschine erforderlich diese wird bei minimal-invasiven OPs in der Regel durch einen Hautschnitt in der Leiste angeschlossen.

Dass Patienten heutzutage nach Herz-OPs schneller fit sind, liegt auch an dem an vielen deutschen Kliniken etablierten ERAS (Enhanced Recovery After Surgery)-Programm. Dieses verkürzt den Krankenhausaufenthalt nach erfolgter Herzoperation deutlich und beschleunigt die Wiedererlangung der normalen Lebensqualität wesentlich. Das auch als „Fast-Track-Chirurgie“ bekannte Konzept beinhaltet nicht nur die Nutzung minimal-invasiver Zugangswege und angepasster Narkoseführung, sondern auch die Förderung der körperlichen Aktivität und Verbesserung der Ernährungssituation vor der Operation. Darüber hinaus ist die Verlegung auf eine spezialisierte Wachstation mit Frühmobilisation etwa zwei bis drei Stunden nach der Operation und die frühzeitige Verlegung auf die Normalstation mit einer intensivierten Physiotherapie, aktivierender Pflege und individueller Schmerztherapie vorgesehen.

Basierend auf der ersten diagnostischen Bauchspiegelung im Jahr 1944 entwickelten Gynäkologen in den 1960er-Jahren minimalinvasive Operationstechniken, wobei hier der Kieler Professor Kurt Semm wegweisend war: Er konzipierte viele für die endoskopische Chirurgie notwendige Instrumente. Laparoskopische und vollendoskopische Verfahren sind inzwischen in der Viszeralchirurgie und Gynäkologie zum Standard geworden. In der Herzchirurgie begann man erst Mitte der 1990er-Jahre, das Brustbein (Sternum) nur partiell zu eröffnen oder ganz sternotomiefrei einen Zugang zum Herzen zu finden.

Komplexere Herzoperationen und Kombinationseingriffe lassen sich allerdings meist nicht minimal-invasiv durchführen: Zu groß ist das Risiko, bei Komplikationen keine Zugriffsmöglichkeit zu haben. In einigen Fällen ist auch die Übersichtlichkeit des Operationsfeldes nicht gewährleistet oder es werden durch die anatomischen Verhältnisse Grenzen gesetzt, so das Uniklinikum Würzburg. Laut Dr. Torsten Doenst von der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Jena, gibt es bei der minimalinvasiven Klappenchirurgie noch weitere Limitationen, etwa das Vorliegen einer mitralanulären Verkalkung (MAC), eine wesentlich eingeschränkte Ventrikelfunktion, Lungenverwachsungen, eine Abzessformation bei Endokarditis oder eine Porzellanaorta. Bei einer minimal-invasiven OP müssen zudem weitere Voraussetzungen erfüllt sein, so das HerzZentrum Hirslanden Zürich - vor allem anatomische Kriterien oder schwere Begleiterkrankungen wie starkes Übergewicht, generalisierte Arteriosklerose, Erkrankungen der Aorta, Lungenerkrankungen oder eine koronare Herzkrankheit können sie von vornherein ausschließen.

Barbara Brubacher

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 17.05.2024

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