Ein Entwurf aus den 1930er-Jahren kann auch heute noch für richtig viel Aufsehen sorgen - zumindest wenn die Tischleuchte „Kaiser Idell 6556T plötzlich im Fernsehen auftaucht: In der allerersten Folge der neuen Talkshow von Caren Miosga stand sie bei der Ausstrahlung in diesem Januar zunächst rätselhaft unter dem Tisch herum, bis sie dem Gast Friedrich Merz präsentiert wurde, um ihm ein launiges Statement zu seiner Heimat, dem Sauerland, zu entlocken. Denn dort, bei der Firma Gebrüder Kaiser aus Neheim, einem Stadtteil von Arnsberg, wurde sie zuerst hergestellt. Christian Dell, der bis zur Machtübernahme der Nazis Werkmeister in der Metallwerkstatt des Weimarer Bauhauses gewesen war, hatte sie gestaltet. Als etwas weniger pompöse Variante seiner luxuriöseren Leuchte 6631, die aufgrund ihrer ausladenden Form mit glänzender Metall-Applikation den Beinamen „Präsident“ bekommen hatte. Zur Produktlinie gehören heute auch eine Pendelleuchte, eine Stehlampe, sowie eine Wandleuchte mit verstellbarem Arm in Scheren- oder Wellenform. Allen gemeinsam ist das typische reduzierte Bauhausdesign, das sich bei Dell, dem gelernten Silberschmied, während seiner Wirkzeit in Weimar entwickelt hatte. Die Konzentration auf die drei Formen Kugel, Kreis und Zylinder und die besonders hochwertige Verarbeitung haben die Serie legendär gemacht.
Aus dieser konzentrierten Gestaltung folgt auch die Güte der Funktion. Mit dem asymmetrischen Schirm und der verstellbaren Neigung der „6556-T“ wird eine besonders gute Ausleuchtung des Lese- oder Arbeitsbereichs erreicht, was sie lange auch zum bevorzugten Leuchtkörper auf den Schreibtischen von Behörden gemacht hat. Ihre unaufgeregte Formgebung passt allerdings ganz genauso ins stilvolle Wohnumfeld von heute - vor allem seit es die erneut berühmte Lampe auch in mehreren freundlichen Farben gibt. KAI-UWE DIGEL
Erschienen im Tagesspiegel am 05.10.2024