Ein ärgerliches Missgeschick kann die Initialzündung für eine völlig neue Perspektive sein - getreu dem alten Sprichwort „Scherben bringen Glück“. Denn das Waschbecken, das da einst herunterfiel und in tausend Stücke zersprang, hätte eigentlich in einer Yacht montiert werden sollen, deren Gestaltung in den Händen des Architekten Dieter Sieger lag. Der hatte sich bereits mit Entwürfen für Häuser, Villen und ganze Siedlungen einen Namen gemacht, bevor ihn seine Liebe zum Wassersport auch zum Bootsdesign brachte. Als nun schnellstens Ersatz für den zerstörten Waschplatz gefunden werden musste, intensivierte sich auch der Kontakt zum Hersteller „Alape“, der Sieger schnell mit einem Auftrag für eine ganze Bad-Serie betraute.
Der Beginn einer dritten Schaffensphase, in der er sich nun zunehmend auch mit dem Produktdesign für hochwertige Bäder beschäftigte. Bald auch mit seinen Söhnen Christian und Michael an Bord, die Anfang der 1990er-Jahre maẞgeblich an der Ausarbeitung einer fast schon ikonischen Armaturen-Kollektion beteiligt waren: „Tara“ für den Hersteller Dornbracht kam 1992 auf den Markt und revolutionierte ein ganzes Segment.
Auf der Suche nach dem Archetypen einer Armatur ersannen sie ein unaufgeregtes und zurückhaltendes Antlitz, das dem damals angesagten pompösen Look wertiger Bäder vollkommen entgegenstand: „Tara“ überzeugt noch heute mit seinen charakteristischen Kreuzgriffen und dem Auslauf, der die Verlängerung des Rohres in der Wand zitiert und optisch dem Fluss des Wassers folgt. Über die Jahre wurde das Design nuanciert verfeinert, neue Oberflächen von minimalistisch bis hoch-edel wurden mit ins Programm genommen und Varianten wie „Tara Ultra“ erfüllen weitere Nischen bezüglich Anwendung und gestalterischer Vorlieben der Design-verliebten Kundschaft.
KAI-UWE DIGEL
Erschienen im Tagesspiegel am 09.06.2024
