Zurück zu den Wurzeln: Es ist eine „Case Study“ im großen Stil, zu deren Komponenten die heimische Natur und örtliche Materialien zählen, ebenso alte mallorquinische Traditionen und Tierrassen und natürlich das entsprechende Know-how-verbunden mit dem Anspruch, biologische und handgemachte Produkte zu liefern, die authentischer nicht sein könnten.
Doch von vorn: Auf der Fahrt von Palma in Richtung Sóller gehtes vorbei an Zitronenhainen und durch die wilden Berge der Serra de Tramuntana ins Künstlerdorf Valldemossa (Chopin! George Sand!) und weiter zum Anwesen Son Moragues. Der Zusatz „finca agricola ecològica“ besagt, dass es sich um einen Bio-Bauernhof handelt mit höchst kreativen Ambitionen. Denn seit über 15 Jahren arbeitet das Team daran, die Blütezeit der 500 Jahre alten Finca wieder zu beleben, die einst als landwirtschaftliche Ikone galt. Bewässert wird zum Beispiel mit einer Methode, die die „Moros“ (Mauren), Berberstämme aus Nordafrika, nach Mallorca brachten.




Wo früher Fliesen und Pflastersteine aus lokalen Rohstoffen gewonnen wurden, dienen dieselben Materialien heute dazu, handgefertigte Keramik und mundgeblasenes Glas zu produzieren. Daneben entstehen Wollteppiche und Plaids von der eigens angeschafften Schafherde, ein Mix aus zwei heimischen Rassen - ganz nebenbei betätigen sich die 250 Tiere als natürliche Landschaftsgärtner. Deren Wolle wird geschoren, versponnen und auf Webstühlen aus der Jahrhundertwende verwebt. Hierfür wurden Werkstätten und Workshops eingerichtet, Kunsthandwerker und Künstler im eigenen Textilstudio beauftragt. „Für einen Meter Teppich benötigt man die Wolle eines ganzen Schafs“, erzählt Mit-Gründer Joe Holles de Peyer, der zuvor Philosophie studierte.
Auch Gin und wertvolles Olivenöl von den rund 1000 jahrhundertealten Bäumen, duftende botanische Seifen, Naturwachskerzen sowie Erzeugnisse aus Stein und Holz bereichern die Palette des Labels „Sonmo“: Mörser und Räucherstäbchenhalter, kleine Unikate mit funktionalem Charakter, irgendwo zwischen Kunst, Skulptur und Design. Auch Möbel wie Bänke und Stühle aus Steineichen- oder Kiefernholz stehen auf dem Programm. „Wir versuchen herauszufinden, wie man früher all diese Dinge gefertigt hat“, sagt Joe.
Mit dem leben, was Boden, Pflanzen und Tiere hergeben, in einem stimmigen ökologischen Kreislauf nach dem Vorbild einer autarken Landwirtschaft, wie früher von Gutshöfen praktiziert, ein qualitatives Leben wie anno dazumal, jedoch mit den Techniken von einst und heute. Ein Beispiel: Mit Asche-früher zum Wäschewaschen benötigt - entstehen heute herrlich unperfekte Glasuren für Vasen, Teller, Schalen und Schüsseln. Von diesen schmecken die sonmoraguischen Kulinarika nochmal so gut, wie wir bei einer Olivenöl-, Marmeladen-, Sobrasada- und Käseverkostung feststellen. Gin gibt's obendrein.

Diese findet an einem beinah magischen Ort auf einer nahen Anhöhe mit Mini-See und Ruderboot statt. Ein verstecktes Juwel inmitten der Natur, das wohl schon Kaiserin Sisi schätzte. Denn ab 1870 bewohnte Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich die Finca-ein Cousin der Kaiserin, der sein eigenes Olivenöl produzierte. Er war bekannt für seine Liebe zur Natur und zur mallorquinischen Heimat. So schließt sich der Kreis. Wer die Finca Son Moragues besucht, kann sich persönlich von all den Preziosen überzeugen. Auch der Shop „Tienda Sonmo“ im nahen Valldemossa hält eine Auswahl der Herrlichkeiten nebst Probierküche bereit - einige Produkte sind zudem im Onlineshop zu haben. Auch nahegelegene Hotels wie das Jumeirah Mallorca in Sóller werten ihr Inventar inzwischen mit der edlen Keramik aus der Nachbarschaft auf. Das Ziel des Finca-Projekts: ein authentisch-autarker Organismus, der mit Umwelt- und Qualitätsbewusstsein überzeugen und wirtschaftlich bestehen kann. Und vielleicht ein Vorbild für andere abgibt. Es scheint, Son Moragues ist auf dem besten Weg dazu.
Erschienen im Tagesspiegel am 07.07.2025