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LMU Klinikum München: Gegen Zittern und Muskelsteife

Neurochirurgen des LMU Klinikums beteiligen sich im Rahmen von Studien an der Entwicklung neuartiger Technologien, mit denen die Tiefe Hirnstimulation künftig besser auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden könnte. Hier kontrollieren Ärzte die Aktivität des Schrittmachers auf dem Tablet. Foto: LMU Klinikum München

Weltparkinsontag

LMU Klinikum München: Gegen Zittern und Muskelsteife

Die Tiefe Hirnstimulation ist eine etablierte Behandlung zur Linderung von Symptomen der Parkinson-Krankheit

Parkinson-Patienten leiden unter einem fortschreitenden Verlust von dopaminbildenden Nervenzellen in der Substantia nigra, einer kleinen Struktur im Mittelhirn. Es entsteht ein Mangel des Nervenbotenstoffs Dopamin, wodurch es zu Signalstörungen im Gehirn kommt. Dies hat zur Folge, dass allmählich die Kontrolle über die Muskeln verloren geht, sodass es für die Betroffenen immer schwieriger wird, Bewegungen zu koordinieren und sie gezielt auszulösen. Dadurch leiden sie unter Zittern (Tremor), die Bewegungen verlangsamen sich (Bradykinese), die Muskeln versteifen (Rigor). Mit der Zeit wird auch der Gang zunehmend unsicher, und die Sturzgefahr nimmt zu. Zudem kann das Sprechen beeinträchtigt sein. Sehr häufig wird die Sprache leiser, monotoner und im weiteren Verlauf oft auch undeutlicher.

Unterschiedliche Wirksamkeit

Eine Heilung ist bis heute nicht möglich. Deshalb konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome. Am Anfang steht meist eine medikamentöse Therapie mit dem Ziel, das Dopamin im Gehirn zu erhöhen oder dessen Wirkung nachzuahmen. Wenn die Erkrankung weiter fortgeschritten ist, gibt es die Tiefe Hirnstimulation als chirurgische Option, kurz THS oder DBS (für Deep Brain Stimulation): Es kommt ein kleiner batteriebetriebener Impulsgeber zum Einsatz, der ähnlich wie ein Herzschrittmacher funktioniert, jedoch seinen Wirkort im Gehirn hat. Dieser Stimulator, der zum Beispiel unter dem Schlüsselbein implantiert ist, steuert feine Elektroden, die über eine winzige Öffnung in der Schädeldecke unter bildgebender Kontrolle tief ins Gehirn in festgelegte Areale eingebracht werden. Dort geben sie, ohne dass es der Betroffene bemerkt, schwache elektrische Impulse ab, um ihm so zu einer besseren Bewegungskontrolle zu verhelfen. Wichtig für den Behandlungserfolg sind zum einen die präzise Platzierung der Elektroden und zum anderen die individuell passende Stimulationsintensität.

Die Tiefe Hirnstimulation gibt es bereits seit Ende der 1980er-Jahre, seit 1998 ist das Verfahren für die Parkinson-Krankheit zugelassen. Bei parkinsonähnlichen Erkrankungen, denen aber ein anderer Krankheitsmechanismus zugrunde liegt, kommt die Tiefe Hirnstimulation dagegen nicht infrage. Ein wesentlicher Vorteil dieser invasiven Therapieform ist: Als eine Methode der funktionellen Neurochirurgie nimmt die Tiefe Hirnstimulation zwar Einfluss auf die Funktionen des Gehirns, doch kann dieser Einfluss jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, ohne dass Gewebe geschädigt wird oder Funktionseinbußen zu befürchten sind.

Auch wenn der Behandlungserfolg inzwischen durch zahlreiche Studien belegt ist - welche genauen Wirkmechanismen den therapeutischen Effekten des Hirnschrittmachers zugrunde liegen, ist nach wie vor unklar. Es hat sich jedoch gezeigt, dass vor allem die Symptome, die gut auf Levodopa-Medikamente ansprechen, in der Regel auch gut mit der Tiefen Hirnstimulation gemildert werden können, allen voran Zittern, Steifigkeit und Bewegungsverlangsamung. Meist nehmen außerdem die unangenehmen Wirkungsschwankungen ab, die bei der medikamentösen Behandlung häufig in Kauf genommen werden müssen, und die Dosierung der Medikamente kann deutlich verringert werden. Darüber hinaus bemerken viele Patienten eine Besserung von belastenden Begleitsymptomen wie Depression und Ängste. Andererseits können psychische Veränderungen wie eine neu aufgetretene Depression, Angststörung, Manie oder Euphorie auch unmittelbare Folgen der Tiefen Hirnstimulation sein. Durch eine Anpassung der Impulsgebung lassen sich diese unerwünschten Wirkungen jedoch meist mildern oder gar beseitigen. Deutlich geringer ist der therapeutische Effekt der Tiefen Hirnstimulation dagegen bei Symptomen wie ausgeprägte Gangstörungen, Schluck- und Sprechstörungen. Und: Aufhalten lässt sich das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit auch mit der Tiefen Hirnstimulation nicht. Die Stimulator-Einstellung kann jedoch fortlaufend an die Krankheitssymptome angepasst werden, entweder durch den Patienten selbst oder durch den behandelnden Arzt.

Schwierige Entscheidung im Einzelfall

Die Entscheidung, ob eine Behandlung mit der Tiefen Hirnstimulation die richtige Wahl ist, kann im Einzelfall schwierig sein. Am besten ist es, sich an eine spezialisierte Einrichtung zu wenden, in der die Therapieentscheidung immer interdisziplinär unter Einbeziehung verschiedener Spezialistinnen und Spezialisten wie Neurologen, funktionelle Neurochirurgen, Neuropsychologen und Logopäden sowie Ärzten weiterer relevanter Fachdisziplinen getroffen wird, in denen die Implantation von Hirnschrittmachern zu den Schwerpunkten des Leistungsspektrums gehört - zumal Studien gezeigt haben, dass der Erfolg der Operation maßgeblich von der Erfahrung und Expertise des Operateurs abhängt. -

Grundsätzlich gilt: Wird die Lebensqualität durch die Erkrankung zunehmend eingeschränkt, obwohl die medikamentöse Therapie noch eine gewisse Wirkung zeigt, ist der Hirnschrittmacher auf jeden Fall eine Option. Letztlich ist jedoch entscheidend, dass die vorherrschenden Symptome einen therapeutischen Effekt der Methode erwarten lassen und die erzielte Symptomlinderung auch wirklich zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität beiträgt. Natürlich spielen auch die Wünsche, Erwartungen und Lebensumstände des Betroffenen eine wichtige Rolle. Deshalb ist eine eingehende individuelle Beratung vor dem Eingriff elementar wichtig - wie auch eine gute, zugewandte Begleitung nach der Implantation unverzichtbar für den Behandlungserfolg ist.

Eine Altersbeschränkung im engeren Sinn gibt es nicht. Bei Patienten, die das 75. Lebensjahr überschritten haben, sollten Chancen und Risiken der Operation allerdings sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Gleiches gilt, wenn das Allgemeinbefinden durch weitere Erkrankungen beeinträchtigt ist. Wichtig zu wissen, ist schließlich auch: Mit dem Eingriff sind nicht nur die typischen Risiken einer mehrstündigen Operation verbunden, sondern der Betroffene wird einen Teil des Eingriffs sehr wahrscheinlich im Wachzustand (unter örtlicher Betäubung) erleben. Denn bislang führen nur wenige Kliniken die Operation von Beginn an in Vollnarkose durch.

Derzeit läuft die Forschung zur Optimierung der Tiefen Hirnstimulation auf Hochtouren. Ein wichtiges Anliegen der Forschenden ist zum Beispiel, die TSH-Therapie künftig zielgerichteter und individueller gestalten zu können, etwa mithilfe von Hirnschrittmachern, die selbstständig registrieren, wann und in welcher Situation der Patient etwas mehr und wann er etwas weniger Stimulation benötigt. Verschiedene klinische Studien zu neu entwickelten Technologien, Stimulatoren und Elektroden laufen bereits.

Nicole Schaenzler

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 11.04.2024

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