Nach den erfolgreichen Lichtdesign-Konzepten für die U-Bahn-Stationen am Westfriedhof und an der Münchner Freiheit erhellt nun ein neues kreatives Lichtkonzept der Ingo Maurer GmbH die unterirdischen Gänge und Treppen der Station am Sendlinger Tor. 1998 hatte Ingo Maurer (1932 bis 2019) den Bahnsteig am Westfriedhof mit elf Lampen von jeweils 3,80 Meter Durchmesser erhellt, die der Durchgangsstation mit einer starken Farbgebung in Gelb, Rot und Blau eine beinahe wohnliche Atmosphäre verleihen. 2009 erhielt der U-Bahnhof der Münchner Freiheit ein neues Lichtkonzept, bei dem limonengrüne Hintergleiswände zu blau gefärbten und blau beleuchteten Säulen kontrastieren, gespiegelt von Deckenkacheln.
Gelb und Blau, dieser Farbstellung blieb das federführende Team der Ingo Maurer GmbH auch in Bezug auf das Sendlinger Tor treu. Hier im Süden der Münchner Altstadt treffen die Linien von U1, U2, U3, U6 und U7 aufeinander. Ein vielfrequentierter Ort: Im Jahr 2019 nutzten rund 150.000 Menschen den rund 40 Jahre alten U-Bahnhof, der aus der Zeit gefallen war. Von 2016 bis Ende 2023 wurde also der U-Bahnhof mit einer Brutto-Grundfläche von 6300 Quadratmetern auf allen drei Ebenen saniert, modernisiert und durchgängig barrierefrei gestaltet. Zudem wurden die Kapazitäten erweitert und neue Ausgänge geschaffen. Nachdem das Ingo Maurer-Team zusammen mit den Architekturbüros Raupach und Bohn das Licht- und Farbkonzept eingereicht und den Zuschlag der Münchner Stadtwerke bekam, verantwortete es die Lichtplanung für den beliebten Umsteigeplatz. Was dem heutigen Nutzer sofort ins Auge sticht, ist die dynamische Linienführung der Leuchtelemente, die die Zugänge und das Foyer in Deckenhöhe flankieren. Auch an den Bahnsteigen finden sich LED-Lichtelemente parallel zur Fahrtrichtung wieder. Matt weiße Reflektorringe kontrastieren in den Zwischengeschossen zur dunkel gehaltenen Deckenfarbe und ergänzen das Konzept in einzelnen Abschnitten. „Mit dem Entwurf entsteht ein neues unverwechselbares Gesicht für den U-Bahnhof, um ihn als Solitär und im Verbund mit allen anderen zentral gelegenen Stationen als qualitätsvollen unterirdischen Stadtraum mit hohem Wiedererkennungswert zu positionieren“, heißt es seitens von Raupach Architekten und weiter: „Der Entwurf will kulturelle Nachhaltigkeit sowie unmittelbaren und hohen Gebrauchswert schaffen. Das gelingt durch eine klare Farbwahl, ein übersichtliches Raumkonzept und ein einfaches, zukunftsfähiges Beleuchtungskonzept.“



Mit diesem Konzept hatten die Gestalter 2013 den ersten Preis im internationalen Wettbewerb um die Modernisierung gewonnen. Die Jury überzeugte dabei vor allem das „ästhetisch einfallsreiche und funktional tragfähige Konzept, bei dem sich Alt und Neu organisch ineinander verschränken und Vertrautes nicht ganz verschwindet. So wird das bislang dominierende Blau und Gelb auch die Farbgebung des neuen U-Bahnhofs bestimmen, aber nicht mehr nur als Wand- oder Stützenverkleidung, sondern als kraftvoll inszenierte Raumidee. Dieser durch Farbe definierte und strukturierte Raum ist großartig. Die Farben ordnen und gestalten den unterirdischen Verkehrsknotenpunkt auf drei Ebenen überzeugend klar und einfach.“
Das bauliche Portfolio von Raupach Architekten reicht dabei von Städtebau über Bauen im Bestand bis zu Wohnen, Verkehr, Kultur und Büro und machte schon zuvor im Sektor Verkehr mit Entwürfen für den U-Bahnhof Wettersteinplatz in München (fertiggestellt 1997) und den U-Bahnhof HafenCity Hamburg (fertiggestellt 2012) auf sich aufmerksam. Auch Bohn Architekten können auf eine reiche Expertise im U-Bahnbau blicken. Der Fahrgast der Münchner Verkehrsbetriebe freut sich nun doppelt: einmal, weil der langwierige Umbau nun endlich abgeschlossen ist, und zweitens, weil das Durchqueren der neu entstandenen Licht-Design-Insel ein buchstäbliches High-Light im täglichen Hin und Her der Millionenstadt bedeutet.
FRANZISKA HORN
Erschienen im Tagesspiegel am 06.07.2024