Die Winterzeit ist die Zeit der geplatzten Leitungsrohre und der daraus resultierenden Schäden. Glücklicherweise gibt es die Gebäudeversicherung, die die Kosten für die Schadensbehebung solcher Frostschäden erstattet-sofern man eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat. Doch was ist, wenn der Versicherungsnehmer seine vertraglich vereinbarten Pflichten nur zum Teil erfüllt? Dazu hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt eine Entscheidung getroffen, wie auf haufe.de und auf www.rv.hessenrecht.hessen.de nachzulesen ist. Demnach ist die fehlende Leerung und Absperrung wasserführender Leitungen in leerstehenden Gebäuden im Winter auch mit einer Notbeheizung grob fahrlässig und berechtigt die Gebäudeversicherung zu einer Leistungskürzung um 75 Prozent.
Und darum ging es im konkreten Fall: Wegen Streitigkeiten über einen Kaufvertrag für das Gebäudegrundstück stand das Gebäude seit November 2016 leer. Gut zwei Monate später kam es im Januar 2017 zu Frostaufplatzungen. Der Eigentümer meldete den Schaden seiner Gebäudeversicherung. Er erklärte, die Heizungsanlage sei im November 2016 gewartet und so eingestellt worden, dass in sämtlichen Räumen eine Mindesttemperatur von zehn Grad Celsius geherrscht habe.
Das sei zweimal pro Woche kontrolliert worden. Die Versicherung hielt dieses Vorgehen ihres Kunden jedoch für nicht ausreichend. Sie argumentierte, der Versicherungsnehmer hätte angesichts des monatelangen Gebäudeleerstands „die wasserführenden Leitungen komplett leeren und absperren müssen. Die Unterlassung dieser Vorsichtsmaßnahmen sei eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers und führe zur Leistungsfreiheit der Versicherung“.
Die Leitungen gehören entleert
Dagegen klagte der Versicherungsnehmer und erzielte beim zuständigen Landgericht (LG) einen Teilerfolg. Das LG sah in der unterlassenen Entleerung der Wasserleitungen ebenso eine grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheitspflicht wie die beklagte Versicherung. Der LG-Entscheidung zufolge führte diese Verletzung der Obliegenheitspflicht jedoch nicht zu einer hundertprozentigen Leistungsfreiheit der Versicherung. Die beklagte Versicherung könne daher ihre Leistung lediglich um 25 Prozent kürzen.
Im Berufungsverfahren sah das ÖLG die Obliegenheitsverletzung des Klägers jedoch als sehr viel schwerwiegender an. Die Konsequenz war eine Kürzung der Leistungspflicht der beklagten Versicherung um 75 Prozent, mit anderen Worten: Der Kläger erhielt nur 25 Prozent der Schadenssumme. Der zuständige Senat wies ausdrücklich darauf hin, dass er entsprechend der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) in nicht genutzten Gebäudeteilen wasserführende Anlagen und Einrichtungen abzusperren und zu entleeren habe. Nach Auffassung des Senats ist die fehlende Absperrung und Entleerung der wasserführenden Leitungen und Anlagen vor diesem Hintergrund als dermaßen leichtfertig einzustufen, dass die Grenze zum Vorsatz nur knapp nicht überschritten wurde“.
Zugunsten des Versicherungsnehmers berücksichtigte das OLG die von ihm veranlasste Minimalbeheizung der Räumlichkeiten, „die sein Verschulden in einem etwas milderen Licht erschienen ließen“. Allerdings fehlten dem Senat Äußerungen respektive Nachweise des Klägers, ob, wie oft und auf welche Weise er die Einhaltung der Temperatur in den leer stehenden Räumen kontrolliert habe. Daher sei in der Gesamtbetrachtung nicht von einer völligen Leistungsfreiheit der Versicherung auszugehen, die gemäß § 81 Abs. 1 VVG im Fall einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles einschlägig wäre. Angemessen sei gemäß § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverpflichtung des Klägers eine Kürzung der Leistungspflicht der beklagten Versicherung um 75 Prozent. (OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 7.8.2024, 7 U 251/20)
DOROTHEA FRIEDRICH
Erschienen im Tagesspiegel am 07.12.2024