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Ihr gutes Recht

EINE FRISTLOSE KÜNDIGUNG DES MIETVERHÄLTNISSES WEGEN STREITEREIEN IST NICHT SO OHNE WEITERES MÖGLICH. FOTO: ADOBE STOCK

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Ihr gutes Recht

Aktuelle Urteile aus der Immobilienwelt

Zerrüttete Ehen oder Beziehungen kennt womöglich jeder. Ein zerrüttetes Mietverhältnis ist da schon seltener. Doch das gibt es - und ein solcher Fall kann auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen. Dieser hat kürzlich entschieden: „Die Zerrüttung eines Mietverhältnisses rechtfertigt allein nicht eine außerordentliche Kündigung. Hinzukommen muss, dass der Kündigungsgegner die Zerrüttung durch pflichtwidriges Verhalten mitverursacht hat“, wie auf haufe.de , auf rsw.beck.de/aktuell und auf dejure.org . nachzulesen ist.

Zerrüttetes Mietverhältnis ...

Und darum ging es im konkreten Fall: Die beklagten Mieter wohnen im ersten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses, die Kläger bewohnen eine Wohnung im Erdgeschoss. Seit zehn Jahren kam es zwischen Mietern und Vermietern regelmäßig zu Auseinandersetzungen wegen angeblicher beidseitiger Vertragsverletzungen. Dabei ging es um Verstöße gegen die Haus- und Reinigungsordnung, um Lärmbelästigungen und um falsch befüllte Mülltonnen. Es ging weiterhin um zu viel Lärm und zugeparkte Einfahrten. Das Ganze kumulierte, als die Vermieter in einem Schreiben, das auch an türkische Bewohner im Haus ging, behaupteten, die Mieter hätten sich rassistisch über Ausländer geäußert. Nachdem die Vermieter den Mieter auch noch mit „du Penner“ tituliert und im Treppenhaus herumgeschrien hatten, die Mieter würden nicht richtig putzen, erstatteten diese Strafanzeige wegen Verleumdung und Beleidigungen. Die Reaktion des Vermieters erfolgte prompt: fristlose Kündigung und Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Die Klage blieb über sämtliche Instanzen erfolglos.

Wie auf haufe.de nachzulesen ist, liegen der BGH-Entscheidung maßgebliche rechtliche Anknüpfungspunkte in §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB zugrunde. Danach kann ein Mietverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Gemäß § 569 Abs. 2 BGB kann in einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens ein solcher wichtiger Grund liegen. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH haben die im Haus wohnenden Parteien die Pflicht aufeinander Rücksicht zu nehmen und sich gegenseitig nicht mehr als unbedingt erforderlich zu stören (BGH, Urteil v. 18.2.2015, VIII ZR 186/14 und Urteil v. 22.6.2021, VIII ZR 134/20).

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, „dass im Wohnraummietrecht eine Zerrüttung des Mietverhältnisses und eine Störung der Vertrauensgrundlage der Vertragsparteien allein nicht ausreicht, um einer Mietvertragspartei das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Verhältnisses zuzubilligen. Die gegenteilige, in der Literatur und teilweise in der Instanzrechtsprechungvertretene Ansicht (OLG Dresden, Urteil v. 23.6.2021, 5 U 2366/20) entspreche nicht dem Wortlaut des § 543 Abs. 1 BGB, wonach auch das Verschulden der Vertragsparteien bei der Abwägung eine Rolle spiele.

... und seine Folgen

Einen Kündigungsgrund ausschließlich in der Zerrüttung des Vertragsverhältnisses zu sehen, stehe auch im Widerspruch „zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Vorliegen eines wichtigen Grundes bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Hiernach sei ein eine außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund nur dann gegeben, wenn der die Kündigung stützende Kündigungsgrund im Risikobereich des anderen Vertragsteils liege (BGH, Urteil v. 19.4.2023, XII ZR 24/22). Dem BGH zufolge war im verhandelten Fall das Vertrauensverhältnis der Parteien zwar zerrüttet, jedoch hätten die Kläger nicht nachgewiesen, dass ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten maßgeblich zu dieser Zerrüttung des Mietverhältnisses beigetragen habe.

DOROTHEA FRIEDRICH

(BGH, Urteil v. 29.11.2023, VIII ZR 211/22)

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 02.03.2024

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