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"Ich möchte lernen, wie ich die Schüler aktivieren kann"

Klassische Lehrerfortbildung ist für Lehrerinnen und Lehrer oft mit Zeitproblemen verbunden (oben). Etliche bevorzugen daher mittlerweile den digitalen Weg (unten). Fotos: Adobe Stock

Lebenslanges Lernen gilt auch für Lehrkräfte - die Digitalisierung hat ihre Fortbildungen positiv verändert, doch es hapert immer noch an speziellen Angeboten

Bildung aktuell

"Ich möchte lernen, wie ich die Schüler aktivieren kann"

Coronakrise, Digitalisierung, Integration, PISA: Angesichts eines immer schwierigeren Umfelds ist Fort- und Weiterbildung für Lehrerinnen und ihre Kollegen unerlässlich. Kurse und Veranstaltungen, die online über das Internet angeboten werden, sind dabei zunehmend beliebter. Wir haben mit Brigitte Z. gesprochen, die ihren Namen jedoch nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist Lehrerin für Englisch und Französisch an einem oberbayerischen Gymnasium und beurteilt das Thema digitale versus nicht-digitale Fortbildung aus der Schulpraxis heraus.

Frau Z., Sie engagieren sich als Englisch- und Französischlehrerin stark bei der Fortbildung. Warum machen Sie das?
Brigitte Z.: Ich absolviere in der Tat überdurchschnittlich viele Lehrerfortbildungen - und mache das ein bisschen aus egoistischen Gründen. Zum ersten, weil für mich manche digitalen Handgriffe nicht intuitiv sind. Zum zweiten, weil ich mich nicht langweilen will. Zum überwiegenden dritten Teil engagiere ich mich aber, weil ich Fortbildung einfach wichtig finde, um guten Unterricht halten und die Schüler entsprechend betreuen und fördern zu können. Ich möchte lernen, wie ich Schüler aktivieren und bei der Stange halten kann.

Sie präferieren Online-Kurse. Warum?
Grundsätzlich hat sich mit der Pandemie viel verändert, was Fortbildung betrifft. In dieser Zeit musste man sich weiterbilden - Stichwort Digitalunterricht - und da hat sich für mich gezeigt, dass Online-Fortbildung viel praktischer ist als die klassische Vor-Ort-Weiterbildung. Für mich ist das ein Segen.

Was genau ist praktischer an Online-Kursen?
Online-Weiterbildung ist weniger aufwendig: Die Veranstaltungen dauern in der Regel nicht lange, ich habe keine Anfahrt und sie kosten meistens nichts. Und Online-Kurse sind selten ausgebucht - was bei Präsenz-Kursen oft vorkommt. Vor allem ist es mir sehr wichtig, mich fortzubilden, ohne die Schüler zu vernachlässigen. Wenn ich zwei Tage auf Fortbildung bin, fallen zwei Tage Unterricht aus. Mit Online-Kursen hingegen bin ich viel flexibler, und es entfällt keine einzige Stunde Unterricht.

Bei welchen Institutionen bilden Sie sich weiter?
Ich bin mehrgleisig unterwegs. Da ist erstens die Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen, die jede Woche zahlreiche Veranstaltungen anbietet. Früher konnte ich daran wegen des Unterrichtsausfalls selten teilnehmen. Der zweite Bereich sind die Kurse der Schulbuchverlage wie Klett und Cornelsen. Die bieten regelmäßig Fortbildungen an, die zum Teil vor Ort stattfinden. Ein Großteil findet aber auch hier online statt. Die Verlage stellen zum Beispiel Material zu neuen Lektüren oder zu neuen Lehrplanthemen vor. Aktuell ist das zum Beispiel Nigeria, das stand früher nicht im Lehrplan. Dann gibt es als dritten Bereich noch die Schulinternen Lehrerfortbildungen (SchiLfs). Diese Veranstaltungen führen Lehrer und Lehrerinnen für Lehrer und Lehrerinnen durch. Das finde ich ganz wichtig, vor allem wenn etwas Neues ansteht. Zum Beispiel wurde an unserer Schule unlängst der Medienserver Plex eingeführt. Damit wir damit im Unterricht umgehen können, hatten wir eine SchiLf.

Aus Ihrer Sicht hat die Digitalisierung die Lehrerfortbildung also positiv verändert?
Ja. Die Digitalisierung hat vieles leichter gemacht, und man kommt besser an die Informationen ran. Die alten festgefahrenen Strukturen sind aufgebrochen - alles wird lockerer, ich lasse die Kurse oft so mitlaufen. Selbst die altehrwürdige Lehrerfortbildungsstätte in Dillingen bietet jetzt wöchentlich neue Online-Kurse mit verschiedensten Themen an für alle Lehrer von Grundschule bis Gymnasium. Man meldet sich einfach an und kann die Veranstaltungen gratis besuchen. Die Teilnehmerzahl ist zwar begrenzt, aber man kommt normalerweise leicht rein.

Können Sie Beispiele für die Online-Kurse dort nennen?
Das Angebot ist breitgefächert: Umgang mit Fake News und Kl, die Herstellung von Lehrvideos oder Comics am Tablet, Kurse zur Personalführung für die Fachbetreuer und für die Direktoren. Es gibt auch Selbstlernkurse, die man jederzeit anklicken kann und die in der Regel 45 Minuten dauern. Dann hat man schnell einmal eine Stunde halbwegs gut mit einer Fortbildung genutzt. Das finde ich jetzt schon ganz interessant.

Der aktuelle Boom bei Online-Weiterbildungen ist ja auch eine Konsequenz der Corona-Pandemie. Wie haben Sie die Zeit erlebt?
In der Pandemie war die digitale Kommunikation generell der Schwerpunkt, weil man sonst ja abgeschnitten gewesen wäre von den Schülern. Mir war es damals wichtig sicherzustellen, die Schüler so zu versorgen, dass sie einen gewinnbringenden Unterricht bekommen, ohne dass sie jeden Tag viele Seiten ausdrucken müssen. Ich muss gestehen: Damals war ich ziemlich blank und überfordert. Zum Glück habe ich jemanden, der mich IT-mäßig coacht und unterstützt. Andere haben dieses Glück nicht und sind oft auf sich allein gestellt. Ich habe mir im Lauf der letzten Jahre Digital-Know-how erworben. Viele digitale Möglichkeiten wie Learning-Apps, Quizzes oder Lehrvideos aus der Lockdown-Zeit laufen bei mir nun als Angebot für die Schüler parallel mit. Aber notwendig ist das jetzt nicht mehr unbedingt. Sie ersetzen den Unterricht nicht, werden aber von Schülern als Ergänzung und vor allem im Krankheitsfall gerne genutzt. 

Haben sich die Schüler mit Corona generell mental und sozial verändert - und ist das in der Weiterbildung ein Thema?
Mit Corona sind die Klassen insgesamt vielfältiger geworden. Ein Teil ist gut aus der Pandemie gekommen, ein Teil ist abgefallen - vom Wissensstand her, aber auch vom Sozialen. Es wäre schön, wenn man die wieder mit ins Boot bekommen würde. Dafür gibt es wenig Fortbildungsangebote.

Wo hapert's in Ihren Augen bei der Lehrerfortbildung?
Wie überall fehlt natürlich auch hier das Geld. Zum einen, um Lehrkräfte zu vertreten, die auf Fortbildung sind. Zum anderen wären manchmal externe Fachleute an der Schule effizienter. Wobei man sagen muss: Externe Experten sind nicht grundsätzlich außen vor. Beim „Pädagogischen Tag“ kommen beispielsweise manchmal externe Referenten. Ein weiterer Punkt: Weiterbildung und Hilfestellung beim Umgang mit schwierigen Schülern bekommt man oft nicht ausreichend - was wichtig wäre, weil sich hier einiges verändert hat. Leider bin ich hier oft völlig auf mich allein gestellt.

Sind denn alle Lehrer aufgeschlossen für Online-Weiterbildung? Die Pandemie müsste ja eigentlich hier sanften Druck ausgeübt haben.
Die Verpflichtung zur Fortbildung ist im Bayerischen Lehrerbildungsgesetz geregelt. Sie gilt als erfüllt, wenn Fortbildung im Zeitumfang von zwölf Fortbildungstagen innerhalb von vier Jahren nachgewiesen ist. Trotzdem gibt es viele Kollegen, die kaum eine Fortbildung machen und mit dem Internet nichts am Hut haben. Und ich muss ehrlich sagen: Manche bewegen sich bildungs- und medienmäßig im Sumpf der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Die beschäftigen sich wenig mit Digitalem, machen kaum Videokonferenzen und haben auch noch nicht viel hochgeladen. Da gibt es schon triste Beispiele - aber das wird oft nicht so publik.

Interview: Klaus Manhart

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 23.02.2024

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