Sie sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Jedoch gibt es praktisch keinen Haushalt, in dem sie nicht zu finden sind: Dermatophagoides pteronyssinus, Dermatophagoides farinae oder auch Euroglyphus mayneesser - besser bekannt als Hausstaubmilben.
Die weiß-gräulichen Milben gehören zur Gruppe der Spinnentiere, und sie sind eigentlich vollkommen harmlos: Sie können weder stechen, saugen oder beißen, noch können sie Krankheiten übertragen. Zudem meiden Hausstaubmilben den direkten Körperkontakt mit uns. Dennoch wünschen sich hierzulande mehr als elf Millionen Menschen, man könnte die Tierchen ausrotten. Denn diese Menschen reagieren auf bestimmte Eiweiße in Panzer und Kot der Hausstaubmilben allergisch. Ausrotten oder dauerhaft vertreiben ist jedoch nicht möglich. Denn die Winzlinge, die höchstens 0,5 Millimeter groß werden und eine Lebenszeit von etwa 60 Tagen haben, ernähren sich ausgerechnet von den ein bis zwei Gramm Hautschuppen, die wir Menschen (und unsere Haustiere) täglich verlieren. Diese Menge reicht aus, um jeden Tag bis zu zwei Millionen Hausstaubmilben zu ernähren. Dadurch können in einem Gramm Hausstaub mehr als 250.000 Kotkügelchen enthalten sein. Trocknet der Kot aus, zerfällt er und verbindet sich mit dem Hausstaub. Dieser allergenhaltige Staub wird dann mit der Atemluft inhaliert.
Prinzipiell können Hausstaubmilben überall in der Wohnung vorkommen. Besonders gern tummeln sie sich jedoch an Orten, an denen besonders viele Hautschuppen zu finden sind: in Matratzen, Federbetten und Teppichen, aber auch in Kuscheltieren, Polstermöbeln und Vorhängen. Von Mai bis Oktober vermehren sie sich stark, bevor das große Sterben mit Beginn der Heizungsperiode einsetzt, wenn in den Räumen nur noch eine geringe Luftfeuchtigkeit herrscht. Dennoch leiden Allergiker gerade in den Wintermonaten unter Symptomen - deshalb wird die Hausstaubmilbenallergie gern auch als „Winterallergie“ bezeichnet. Der Grund: Es hat sich eine maximale Menge an abgestorbenen Milbenüberbleibseln und Exkrementen gebildet, die nun über die Heizungsluft mit dem Hausstaub verteilt werden. Letztlich können sich die Beschwerden aber das ganze Jahr hindurch bemerkbar machen.
Eine Hausstaubmilbenallergie kann sich hinter vielen Symptomen verbergen. Typisch ist, dass sich die Beschwerden besonders nachts oder in den frühen Morgenstunden bemerkbar machen. Oft sind Nase und Augen betroffen: Die Nase läuft oder sie ist verstopft, man muss immer wieder niesen, und die Augen tränen, jucken und sind gerötet. Wichtig ist nun, dass die Allergie rasch erkannt und bekämpft wird, andernfalls droht über kurz oder lang ein Etagenwechsel von den oberen in die unteren Atemwege, und es entwickelt sich ein allergisches Asthma.
Mitunter äußert sich die Allergie aber auch über die Haut: Dann stehen Juckreiz, Hautrötungen, -ausschlag und Nesselfieber im Vordergrund. Vor allem der starke Juckreiz macht den Betroffenen sehr zu schaffen, vor allem nachts. Dann kann sogar ein Bettlaken oder eine Decke für die hochgereizte Haut unerträglich werden. Dies gilt umso mehr, wenn gleichzeitig eine Neurodermitis besteht: Studien zufolge reagiert mehr als die Hälfte der daran Erkrankten auch allergisch auf Hausstaubmilben.
Diagnostisch kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Neben Hauttests (zum Beispiel Prick-Test) kann auch eine Blutprobe Aufschluss geben. Lässt sich im Blut ein erhöhter Wert von Antikörpern der Klasse E (IgE) nachweisen, ist dies ein sicherer Hinweis auf eine erhöhte Allergiebereitschaft. Mitunter wird auch ein (nasaler) Provokationstest zur Sicherung der Diagnose durchgeführt.
Am besten ist es, sämtliche Hausstaubmilben aus der Wohnung zu verbannen. Das ist leichter gesagt als getan. Aber mit gezielten Maßnahmen lässt sich die Anzahl zumindest deutlich reduzieren. Oberstes Gebot: das Bett von Milben zu befreien. Dies gelingt mit speziellen Überzügen für Matratze und Bettdecken, deren Gewebe milbendicht ist und die sich auch bei 60 Grad (am besten einmal pro Woche für mindestens eine Stunde) problemlos waschen lassen. Das Bettgestell ist am besten mit Füßen ausgestattet und hat keinen Bettkasten: Dies fördert eine bessere Luftzirkulation und den Abtransport von Feuchtigkeit. Ideal ist, wenn die Raumtemperatur des Schlafzimmers nicht mehr als 18 bis 20 Grad beträgt und die Luftfeuchtigkeit nicht über 45 bis 55 Prozent liegt, außerdem sollte regelmäßig gelüftet werden. Betroffene Kinder sollten Kuscheltiere haben, die waschbar sind. Auch Staubfänger wie Teppiche, Felle und Vorhänge sollten entfernt werden, um so den Milben ihren Lebensraum zu entziehen. Zum Staubsaugen eignen sich Geräte, die mit einem Feinstaubfilter zur Rückhaltung der eingesaugten Allergene ausgestattet sind.
Bleibt eine Besserung aus, kann eine spezifische Immuntherapie - oder Hyposensibilisierung - helfen, die Symptome in den Griff zu bekommen. Ziel ist es, den Organismus an das Allergen zu gewöhnen, um so seine Sensibilisierung gegen den Allergieauslöser rückgängig zu machen. Hierfür wird ihm über einen längeren Zeitraum eine schrittweise steigende Dosis aus Milbenallergenen zugeführt, die entweder vom Arzt alle vier Wochen direkt unter die Haut gespritzt (subkutane Immuntherapie) oder täglich zu Hause in Form von Tropfen beziehungsweise Tabletten eingenommen wird. Das Verfahren wird auch sublinguale Immuntherapie genannt, weil die allergenhaltige Arznei unter die Zunge (sublingual) gegeben wird, damit sie direkt über die Mundschleimhaut aufgenommen werden kann.
Ob Spritze, Tropfen oder Tabletten - in jedem Fall dauert eine erfolgreiche Immuntherapie mindestens drei Jahre. Aber es lohnt sich: Studien bescheinigen der spezifischen Immuntherapie eine hohe Erfolgsquote.
Nicole Schaenzler
Erschienen im Tagesspiegel am 17.05.2024