Morgens erfrischt aufzustehen und sich voller Elan in den Tag zu stürzen, ist keine Selbstverständlichkeit, wie Menschen mit Gelenkproblemen wissen: Sie schaffen es oft nur mit Mühe aus dem Bett, weil ihre Hüfte, ihre Sprung- oder Kniegelenke steif sind. Ein häufiger Grund für "eingerostete“ Gelenke zu Beginn der Bewegung nach einer längeren Ruhephase ist ein abgenutzter Gelenkknorpel. Ist die Steifigkeit mit Schmerzen verbunden, sprechen die Orthopäden von „Anlaufschmerzen“ - das typische Symptom einer Arthrose: Die Beschwerden lassen erst nach, wenn die Gelenke länger bewegt werden.
Anlaufschmerzen können aber auch auf eine Gelenkentzündung, eine Arthritis, hinweisen. Die Endung „itis“ zeigt schon an, dass es sich um ein ganz anderes Krankheitsgeschehen handelt: In diesem Fall sind es keine degenerativen, sondern entzündliche Prozesse, die ursächlich für die Beschwerden verantwortlich sind, hervorgerufen zum Beispiel durch eine bakterielle Infektion, aber auch durch Stoffwechselerkrankungen wie Gicht oder Pseudogicht, die auch Kalzium-Pyrophosphat-Arthritis genannt wird. Oder aber die Arthritis tritt als chronisch-entzündliche Erkrankung des rheumatischen Formenkreises auf.

Mitunter schließt das eine Krankheitsbild das andere nicht aus. Obwohl eine Arthrose zunächst keine entzündliche Komponente hat, können sich durchaus die typischen Anzeichen einer akuten Gelenkentzündung entwickeln, etwa weil das betroffene Gelenk überlastet wurde oder weil Knorpel und Knochen bereits so weit abgerieben sind, dass Fragmente in die Gelenkflüssigkeit gelangen und Entzündungsreaktionen auslösen. In diesem Fall zeigen sich die gleichen Symptome wie bei einer Arthritis: Das Gelenk ist geschwollen, gerötet, überwärmt, ist in seiner Funktion eingeschränkt und schmerzt auch in Ruhe. Eine solche aktivierte Arthrose ist oft ein Hinweis darauf, dass die Behandlung nicht (mehr) ausreichend ist. Oder das arthrotisches Gelenk wurde durch zu viel Bewegung beziehungsweise ein zu intensives sportliches Training überlastet.
Ein wichtiges Ziel der Arthrosetherapie ist es, derartige Episoden zu vermeiden. Denn eine aktivierte Arthrose ist nicht nur sehr schmerzhaft, die akute Entzündung im Gelenk kann zudem den fortschreitenden degenerativen Prozess stark beschleunigen. Dies erklärt zugleich, weshalb umgekehrt eine Arthritis auch eine Arthrose auslösen kann. Arthrose ist die häufigste aller Gelenkerkrankungen: In Deutschland leiden etwa fünf Millionen Frauen und Männer darunter. Im Prinzip kann sich eine Arthrose an allen Gelenken abspielen, besonders oft sind jedoch Hände, Knie und Hüften betroffen.
Rheumatoide Arthritis
Auch wenn oft mehrere Gelenke gleichzeitig Beschwerden verursachen - eine Systemerkrankung, die den ganzen Körper betrifft, ist eine Arthrose nicht. Anders die rheumatoide Arthritis: Bei dieser Erkrankung ist es das gesamte “System“ Körper, das vom Entzündungsprozess erfasst wird. Dies erklärt, weshalb viele Rheumapatienten neben ihren rheumatischen Beschwerden oft auch mit "unspezifischen“ Symptomen wie Muskelschmerzen, rascher Erschöpfung oder ausgeprägter Müdigkeit zu kämpfen haben.
An einer rheumatoiden Arthritis sind in Deutschland mehr als 800.000 Menschen erkrankt, Frauen dreimal öfter als Männer. Von einer „juvenilen Arthritis“ sprechen die Ärzte, wenn das chronisch-entzündliche Gelenkleiden bereits im Kindesalter auftritt. Unabhängig vom Alter der Erkrankten gehört es zum Wesen der rheumatoiden Arthritis, dass sich mit der Zeit die Gelenke verformen und die Beweglichkeit abnimmt. Zudem werden die Betroffenen immer wieder von starken Schmerzen heimgesucht, besonders nachts, wenn der Körper zur Ruhe kommt.
Behandlungsansätze
Warum Menschen eine rheumatoide Arthritis - entwickeln, ist noch immer nicht abschließend geklärt. Als gesichert gilt, dass eine Fehlregulation des Immunsystems zugrunde liegt, bei der körpereigenes Gewebe attackiert wird das Kennzeichen einer Autoimmunerkrankung. Bei der rheumatoiden Arthritis ist es die Innenhaut der Gelenke, die zur Angriffsfläche der Abwehrzellen wird. Dort entfachen sie eine Entzündung, an deren Ende die vollständige Zerstörung des betroffenen Gelenks stehen kann, wenn nicht rechtzeitig therapeutisch gegengesteuert wird. Doch nicht nur die Gelenke, sondern auch andere Organsysteme können ins Krankheitsgeschehen involviert sein.
Auch wenn die Therapiestrategien unterschiedlich sind: Sowohl bei der Arthrose als auch bei der rheumatoiden Arthritis heißen die Behandlungsziele: ein Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, Schmerzen zu lindern und Funktionseinbußen der betroffenen Gelenke wie auch bleibende Schäden möglichst zu verhindern. Im Vordergrund der Arthrose-Therapie stehen neben der Einnahme von Medikamenten zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung auch Physiotherapie und eine moderate Bewegungstherapie. Auch eine spezielle Eigenbluttherapie, die PRP-Therapie, hat sich bewährt.
Bei der rheumatoiden Arthritis ist Kortison eine Option in der akuten Entzündungsphase, ansonsten bilden Medikamente wie Methotrexat oder Biologika die Basistherapie. Biologika greifen gezielt ins Krankheitsgeschehen ein und beenden im Idealfall die Entzündungsreaktionen der rheumatischen Erkrankung. Die Verträglichkeit ist vergleichsweise gut, Langzeiterfahrungen stehen jedoch noch aus. Viele Betroffene profitieren außerdem von Ergotherapie und Physiotherapie als begleitende Behandlung, aber auch von einer anti-entzündlichen, das heißt vor allem fleischarmen Ernährung. Nicole Schaenzler
Typische Symptome
Arthrose
▸ Im Frühstadium schmerzen die betroffenen Gelenke oft nur unter Belastung.
▸ Morgensteifigkeit und Anlaufschmerzen bessern sich rasch durch Bewegung und dauern weniger als 30 Minuten.
▸ Entzündungszeichen wie Schwellung, Rötung und Überwärmung können vorübergehend im Rahmen einer „aktivierten Arthrose“ auftreten.
▸ Dauerhafte Schmerzen und Bewegungseinschränkungen entstehen in der Regel erst im fortgeschrittenen Stadium, wenn der Knorpel so dünn geworden ist, dass die Knochenenden aneinander reiben.
▸ Bleibt eine Arthrose unbehandelt, werden auch andere Gelenkstrukturen erfasst: die Knochen, die Gelenkinnenhaut und die Gelenkkapsel, aber auch die Bänder oder die umgebende Muskulatur.
Rheumatoide Arthritis
▸ Anfangs macht sich eine rheumatoide Arthritis meist in den kleinen Finger- und Zehengelenken bemerkbar.
▸ Schon bei Ausbruch der Erkrankung schmerzen die betroffenen Gelenke meist sowohl bei Belastung als auch in Ruhe.
▸ Oft treten die Beschwerden schubweise auf: Die Gelenke schmerzen dann besonders stark, sie sind über wärmt und geschwollen, und es besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl.
▸ Die (schmerzhafte) Morgensteifigkeit dauert mindestens eine Stunde lang an.
▸ Die Gelenke sind in der Regel symmetrisch - also zeitgleich sowohl auf der linken als auch auf der rechten Körperseite betroffen.
▸ Mit der Zeit greift die Entzündung oft auf die Schleimbeutel des Gelenks und Sehnenscheiden über, sodass sich zum Beispiel ein Karpaltunnelsyndrom entwickelt.
▸ Bei fast der Hälfte der Erkrankten sind auch andere Organe betroffen, etwa Herz, Lunge, Leber, Nieren, Haut, Augen, Magen, Darm, Nerven und/oder Blutgefäße, aber auch Tränen- und Speicheldrüsen.
▸ Häufig entstehen Rheumaknoten, etwa im Bereich der Finger oder des Ellenbogens.
Bleibt die Entzündung ungebremst, werden die Gelenkstrukturen zunehmend abgebaut bis zur vollständigen Zerstörung der Gelenke. schae
Erschienen im Tagesspiegel am 12.07.2024