Skoda lässt seinen neuen Octavia eine Oktave höher spielen. Der Bestseller der VW-Tochter (7,15 Millionen verkaufter Exemplare) robbt sich an die obere Mittelklasse heran. Vor allem in einem Segment ist Musik drin: Als Combi spielt der Octavia in 14 europäischen Ländern die erste Geige, und ist dort die meistverkaufte Kombilimousine. Ein echter Abräumer und - Aufräumer: Mit 4,70 Metern Länge bietet er Platz für fünf - und wenn es sein muss, dann wird aus dem Octavia sogar ein veritabler Transporter. 640 bis 1.700 Liter Kofferraumvolumen - das schätzt der Familienvater genauso wie der Monteur. Das erfolgreichste Auto der tschechischen Autohersteller gibt es schon seit 1959 (zunächst gebaut bis 1971). Es war die Nummer 8 in der Firmenhistorie, deshalb auch der Name Octavia. So richtig durchgestartet sind Limousine und Combi jedoch erst nach der Übernahme durch VW. Als Basis diente der Golf. Auf Anhieb wurden von der ersten Generation (1996 - 2004) 1,45 Millionen verkauft. Davon zwei Drittel Limousinen. Heute ist das Verhältnis umgekehrt. Von zehn Octavias sind sieben Combis. Was ist neu? Zunächst mal handelt es sich optisch nur um ein Facelift der vierten Generation: Neue Frontscheinwerfer (LED, optional auch Matrix-Licht), ein überarbeiteter Kühlergrill und andere Rückleuchten mit animierten Blinkern. Das war es auch schon. Türen öffnen, reinsetzen - Überraschung, Überraschung. Das Cockpit hat einen Sprung in die digitale Zukunft gemacht. Hinter dem Lenkrad ersetzt ein 10-Zoll-Bildschirm die analogen Instrumente. Ein weiterer 10-Zöller dient schon in der Serie als Infotainment-Bildschirm. Erstmalig kann man sogar einen 13-Zoll-Screen gegen Aufpreis ordern.
Was nützt das schönste Display, wenn man sich beim Bedienen die Fingerkuppen wund tippt? Auch hier hat Škoda nachgebessert mit einer neuen Menüstruktur. Wir haben uns relativ schnell zurechtgefunden. Sehr praktisch sind die fünf frei belegbaren Shortcuts. Lobenswert, dass die Klimaanlagen-Bedienung mit einem eigenen Panel regelbar ist. Die Sprachassistentin Laura ist auch mit an Bord, später im Jahr wird sie noch gesprächiger - dank künstlicher Intelligenz mit ChatGPT. Intelligente Lösungen bietet Škoda auch mit den neuen Features „Pay to Fuel“ und „Pay to Park“ an. Bei ersterem bezahlt man seinen Treibstoff an ausgewählten Tankstellen tatsächlich nur über das Infotainment-System. Pay to Park zeigt verfügbare Parkplätze an, lotst den Fahrer dorthin - und auch hier bezahlt das Auto.


Mit dem technischen Upgrade bekommt das Interieur des Octavias auch einen neuen Look. Je nach Ausstattungslinie (Essence, Selection und Sportline) lässt sich der Škoda sogar mit cognacfarbenem Lederimitat bestellen. Wert gelegt hat man wie alle anderen Hersteller auch auf Nachhaltigkeit. Alles kalter Kaffee? Tatsächlich, denn die Sitzbezüge wurden aus Kaffeesatz hergestellt. Nicht gefallen hat uns das recycelte und wild gesprenkelte Plastikdekor, es wirkt kalt und sieht aus wie der Resopal-Boden in einem ärztlichen Wartezimmer. Muss man aber so nicht bestellen. Kurze Sitzprobe hinten: Das üppige Platzangebot zeigt, warum der Octavia so beliebt ist - in dieser Kategorie zählt er mindestens zur oberen Mittelklasse. Das Herz des Octavias schlägt nach wie vor im Motorraum - und hier gibt es gleich mal eine gute Nachricht. Der Dreizylinder-Benziner wurde ausgemustert und durch ein Aggregat mit einer vierten Brennkammer ersetzt. Den 1,5 TSI gibt es in insgesamt vier Varianten: Zwei 6-Gang-Handschalter mit wahlweise 115 oder 150 PS. Oder als Mild-Hybrid mit Automatik und 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Hier schiebt ein Startergenerator mit an - an den beiden Leistungsstufen ändert das nichts. Und dann sind da noch der 2,0-Liter-Diesel mit Handschalter und 115 PS, sowie die Automatik-Variante mit 150 Pferdestärken.
Im Test hatten wir die beiden Einstiegs-Benziner und den großen Diesel. Die Strecken ähnelten sich: viel Landstraßen und Autobahn - wenig Stadtverkehr. Unterm Strich erwiesen sich alle drei als Vernunftautos, was den Spritverbrauch angeht. Auf Platz 1 landete tatsächlich der Mild-Hybrid (ab 34.030 Euro), der dank Segelfunktion und abschaltbaren Zylindern nur 4,8 Liter verbrauchte. Gleich dahinter rangierte der große Diesel (ab 38.430 Euro), der sich mit 5,4 Litern ebenfalls vornehm zurückhielt. Der günstige Handschalter (31.430 Euro) brauchte mit 5,8 Litern das meiste. Was die Dynamik angeht - klar, da ist der Selbstzünder nicht zu schlagen, aber rentiert das den Mehrpreis von knapp 7.000 Euro im Vergleich zum kleinen Benziner? Dank Handschalter fährt sich der nämlich einigermaßen spritzig, tatsächlich auch besser als der Mild-Hybrid. Das ist aber mehr ein Gefühl - denn die Leistungsdaten (85 kW und 220 Nm Drehmoment) unterscheiden sich nicht großartig. Für beide gilt: Wer ruhig mit dem Gaspedal umgeht, der wird mit Ruhe im Fahrgastraum belohnt. Mit Lenkung und Fahrwerk waren wir überwiegend einverstanden bis sehr zufrieden. Wie meistens bei Škoda oder VW. Es gibt halt doch noch Dinge, auf die Verlass ist. Verlass ist auch auf die Preise - aber leider nur, dass sie steigen. Das Basismodell des Vorgängers hat als 1,5-TSI-Benziner mit 150 PS 30.960 Euro gekostet (heute: 35.170 Euro), der kleine Diesel mit 115 PS lag bei 31.990 Euro. Jetzt werden 36.200 Euro aufgerufen. Über den Daumen gepeilt ergibt das einen Preisaufschlag von rund zehn Prozent. Und weil wir grad bei Preisen sind. Der vergleichbare Golf Variant startet derzeit bei 28.280 Euro, der Peugeot 308 SW bei 29.150 Euro - den günstigsten Kombi liefert aber Opel: Der Astra Sportstourer kostet ab 24.700 Euro.
Unser Fazit zum neuen Octavia: Škoda bietet mehr als nur ein Facelift. Das neue digitale Cockpit und solche Features wie Pay to Fuel katapultieren den guten alten Octavia in die Neuzeit. Wer viel unterwegs ist und Geld sparen will, der sollte auf den Mild-Hybrid-Antrieb setzen. Wenn wir schon bei unserem Test fast ausschließlich über Landstraßen mit 4,8 Litern ausgekommen sind, dann dürfte das im Stadtbetrieb noch weniger werden, weil hier mehr Power rekuperiert werden kann. Der Škoda Octavia ist und bleibt ein technisch mehr als solides Fahrzeug mit viel Platz für Kind und Kegel. Jetzt sogar mit einem schicken Interieur mit Oberklasse-Feeling.
Rudolf Bögel
Erschienen im Tagesspiegel am 22.07.2024