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Die Slow-Idee am Bau: Nachhaltigkeit und Ästhetik im Bauwesen

Die Idee der Slow Architecture ist nicht nur Wohnbauten vorbehalten. Wie öffentliche Gebäude nach diesem Prinzip aussehen können, zeigen Werke des chinesischen Architekten Wang Shu, hier mit der China Art Academy an der Xiangshan School. Foto: L. V. Hengzhong

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Die Slow-Idee am Bau: Nachhaltigkeit und Ästhetik im Bauwesen

Die Slow Architecture setzt auf nachhaltige Bauweisen, bei denen Funktion, Flexibilität, Handwerkskunst und umweltfreundliche Materialien im Einklang mit der Natur stehen.

Bei Bauwerken, also Immobilien, die per Definition unbeweglich sind, Geschwindigkeitsbegriffe wie slow zu verwenden, bedarf einer Erklärung und einer Abstraktion. Die Idee der Slow Architecture ist hergeleitet von der Mitte der 1980er-Jahre als Reaktion auf die Ausbreitung von Fast Food entstandenen Slow-Food-Idee. Gutes ist eben keine schnell und billig hergestellte Massenware ohne regionalen Bezug, mit einem gewaltigen CO₂-Fußabdruck für einen beiläufigen Konsum - womit auch schon angerissen wäre, welchen Prinzipien die Slow-Bewegung generell Rechnung trägt. Den Katalog der grundsätzlichen Betrachtungsaspekte liefert auch in anderen Bereichen die Slow-Food-Bewegung.

Übertragen auf die Architektur formuliert die Fachautorin Diana Kithtlinger aus Montana, USA, die Slow-Idee wie folgt: „Der Ansatz der Entschleunigung umfasst Designkonzepte, Materialauswahl und Bautechniken, bei denen Nachhaltigkeit und Langlebigkeit an erster Stelle stehen. Bei diesem Ansatz werden die Bedürfnisse der Haus- oder Gebäudeeigentümer:innen und der Umwelt sorgfältig berücksichtigt und geprüft, wie sich diese Anforderungen im Laufe der Zeit verändern.“ Dabei geht es sowohl um Zweckmäßigkeit als auch um Ästhetik, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne.

Gemeint ist kein spektakuläres Design nach allen Regeln der Kunst und mit allem Komfort ausgestattet. Die Qualitäten der Slow Architecture sind vielmehr inhaltlicher Art. Die Berücksichtigung der Geschichte und Kultur eines Ortes sowie der Mentalität, des Temperaments und der Gewohnheiten der Menschen, die dort leben, ist die Basis für den Entwurf. Das Prinzip der nachhaltigen Regionalität spiegelt sich auch in exzellenter Handwerkskunst sowie in der Wahl hochwertiger Materialien. Beide haben zum Ziel, für die Langlebigkeit des Bauwerks zu sorgen, definieren zugleich aber auch den Begriff des Luxus neu. Nicht die superteure Riesenvilla ist der Inbegriff des Luxus, sondern ein sorgsam errichtetes, organisches Bauwerk in Einklang mit seiner Umgebung und der Natur.

Aus der Erfahrung mit der so ausgerichteten Bauweise entwickelten sich fünf Prinzipien:

1. Die Gestaltung erfolgt aus der Funktion heraus, die den sozialen und psychologischen Bedürfnissen Rechnung trägt, sich aber auch verändernden Lebensstilen wie Funktionen anpassen kann. Flexibilität und eine gewisse Ungenauigkeit in der Definition der Räume machen es möglich.
2. Der Einklang mit der Um-Welt bedeutet eine Einbindung in die gegebenen klimatischen Gegebenheiten, um etwa die natürlichen Lichtverhältnisse, die natürliche Luftzirkulation oder auch die natürlichen Heiz- und Klimatisierungsmöglichkeiten zu nutzen. Die harmonische Fügung in die Landschaft gehört ebenfalls dazu.
3. Was die Nachhaltigkeit betrifft, sind der Einsatz beständiger (langlebiger), lokaler Materialien wie bestehender Strukturen die geltenden Prinzipien. Daraus resultiert auch eine Stimmigkeit bei der Fügung in die Umgebung. 

4. Die Wertschätzung von Handwerkskunst und Authentizität hat etwas mit der Geschichte und Kultur des Bauortes und mit dessen Traditionen zu tun. Zum Konzept dieser Achtsamkeit passen hier Re-und Upcycling traditionell angewandter Materialien und Bauteile genauso wie die Anwendung von natürlichen Materialien aus näherer Umgebung.
5. Dass Slow Architecture keine Rückständigkeit bedeutet, dafür sorgt das fünfte Prinzip der Einbindung von Technologien für nachhaltiges Design. Hierzu gehören in erster Linie energieeffiziente Materialien sowie technische Einrichtungen zur nachhaltigen Energieerzeugung, sei es durch die Nutzung von Sonne, Wind oder Geothermie. Generell geht es bei diesem Prinzip um die Verringerung des CO₂-Fußabdrucks, was auch für die Dämmung gilt. Alle Prinzipien, die von der Slow-Bewegung beherzigt werden, sind Antworten auf die Probleme unserer Zeit wie etwa Klimawandel oder Ressourcenknappheit unter Fokussierung der Bedürfnisse der Menschen nach einem gesunden, naturnahen, sinnerfüllten und hyggeligen Leben.

Reinhard Palmer

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 08.03.2025

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