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Die neue Welt der Bücher

RUND UM DAS AUDITORIUM SIND IN DER TINJIAN BIBLIOTHEK IN CHINA TERRASSENFÖRMIGE REGALE GEBAUT, DIE DEM GEBÄUDE EINEN SKULPTURALEN CHARAKTER VERLEIHEN. FOTO: OSSIP VAN DUIVENBODE

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Die neue Welt der Bücher

Spektakuläre Bibliotheksbauten dienen als ikonische Orte der Begegnung

Bibliotheken hatten lange Zeit das angestaubte Image, ein Hort des Wissens zu sein, der mit Ehrfurcht betreten wird. Flüsternd begab man sich an seinen Leseplatz, um niemanden zu stören. Meterhohe Regale mit dem hinter Buchrücken gespeicherten Wissen von Generationen ließen nur wenig Tageslicht in die Bücherschluchten. Im digitalen Zeitalter hat sich das Bild und die Funktion der ehrwürdigen Lesetempel radikal gewandelt. Die meisten Bücher sind digital vorhanden und müssen nicht mehr mit Leserkarte und Stempel mühsam in der Bibliothek ausgeliehen werden.

Neue Orte der Begegnung

In modernen Bibliotheksbauten, wie dem 2009 erbauten Dokk1 im dänischen Aarhus, steht daher nicht das Lesen im Mittelpunkt, sondern die spielerische Wissensvermittlung durch neue Medien. Die Architekten Schmidt Hammer Lassen sehen Dokk1 als einen Ort des Austausches, einen multikulturellen Treffpunkt und als Symbol der Wissensgesellschaft. Ein großer Veranstaltungssaal im Zentrum des Gebäudes und das Café mit beeindruckendem Blick auf die weite Wasserfläche des Mündungsgebiets und den Hafen von Aarhus wurden zu beliebten Treffpunkten.

Die obere Etage mit ihrer hellgrauen Fassade, in der Büros untergebracht sind, ist zur darunter liegenden, größtenteils verglasten, Ebene mit den Bibliotheksräumen gedreht, sodass sich ein polygonales Gebäude ergibt. Die Form und Größe der fast quadratischen Ebenen nehmen Bezug zu den umgebenden Gebäuden des Hafengebiets. Im Erdgeschoss sind eine Bahnstation und eine Parkgarage untergebracht, die direkten Verkehrsanschluss bieten. Rund um das Gebäude zur Straßenebene und neu geschaffenen Hafenpromenade bieten skulpturale Treppen Zugang zu dem Gebäude, ohne eine sakrale Überhöhung des Gebäudes zu bewirken. Die mittlere Ebene dient auch als Aussichtsplattform und wird durch einen großen Innenhof mit Tageslicht erhellt. Die verschiedenen Ebenen sind über Rampen und ein gestaffeltes Treppensystem erschlossen, die den Besucher leiten. Mobiliar und Räumlichkeiten auf der Bibliotheksebene sind für verschiedene Lernsituationen flexibel nutzbar. Einzelarbeit, Gruppen- und Projektarbeit sowie Vorträge und Events sind möglich. Schiebewände ermöglichen verschiedene Raumsituationen. Das zurückhaltende skandinavische Innendesign sorgt für eine klare, aber wohlfühlende und offene Atmosphäre im Inneren. Mit über 30.000 Quadratmetern Nutzfläche gilt das Dokk1 als größte Bibliothek Skandinaviens.

Skandinavische Architekten sind international führend beim Bau spektakulärer Bibliotheksbauten. Die 2020 eröffnete Deichmanske Bibliothek von Lund Hagem und Atelier Oslo bauten auf einem kleinen Grundstück direkt am Fjord ein hoch aufragendes Gebäude mit auskragendem Obergeschoss, das als stützenfreie Hängekonstruktion an der Beton-Faltwerkkonstruktion des Daches befestigt wurde. Drei Atrien öffnen sich über alle Geschosse und münden in der obersten Ebene in einem einzigen Atrium. Die Bücherregale wurden um den Kern angeordnet, sodass die Fassaden freigehalten werden konnten. Auf eine großflächige Verglasung verzichteten die Architekten aus energetischen Gründen. Oberlichter und Mattglasscheiben sorgen aber für eine gleichmäßige Verteilung des Tageslichtes. Fensteröffnungen in der Gebäudedecke bieten aber gezielt ausgerichtete Ausblicke auf den Fjord und die Stadt.

Das niederländische Architekturbüro MVRDV entwarf in der chinesischen Küstenstadt Tinjian unweit von Peking einen Bibliotheksbau, der einer skulpturalen Architektur gleicht. Terrassenförmig angelegte Regale ranken sich wellenförmig über mehrere Geschosse um eine augenförmige Kugel im Zentrum, die das Auditorium beherbergt und als Symbol des Wissens gilt. Das in Weiß gehaltene fünfstöckige futuristische Gebäude umfasst eine Fläche von 33.700 Quadratmetern.

Den neuen Bibliotheksbauten ist gemein, große offene Flächen der Begegnung zu schaffen, die für einen erweiterten geistigen und sozialen Horizont stehen.

WOLFRAM SEIPP

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 06.09.2025

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