Ein pavillonartiger Bau für Studierende der TU Braunschweig, der mit Transparenz und Barrierefreiheit punktet, nachhaltig ist, unterschiedliche Raumnutzungen I und den Studierenden eine zeitgemäße Lernumgebung ermöglicht, dazu wiederverwendet werden kann, überzeugte die Jury beim Deutschen Architekturpreis 2013. Aus der großen Bandbreite der 191 zugelassenen Einreichungen wurde der Neubau des Studierendenhauses der Technischen Universität Braunschweig der beiden jungen Berliner Architekten Gustav Düsing und Max Hacke mit dem mit 30.000 Euro dotierten Hauptpreis ausgezeichnet. Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, würdigte den Entwurf: Sie haben eine innovative Stahl-Holz-Hybridkonstruktion eingesetzt, die leicht montiert und wieder in seine Grundkomponenten zerlegt werden kann, und gleichzeitig ein einladendes Gebäude geschaffen, das dank seiner offenen Struktur von den Studierenden flexibel genutzt werden kann“, lobte die Ministerin. Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer freute besonders, dass mit der Auszeichnung ein Impuls für mehr Nachwuchsförderung gesetzt wurde. Junge Architektinnen und Architekten stünden heute vor der gewaltigen Aufgabe, die Transformation unserer Städte, Quartiere, Häuser und Gärten mit kreativen Ideen und organisatorischen Fähigkeiten umzusetzen.
Der Deutsche Architekturpreis wird bereits seit 1971 alle zwei Jahre vergeben. Damals wurde der Preis von der Ruhrgas AG gestiftet, 1977 übernahm die Bundesarchitektenkammer die Schirmherschaft. Seit 2011 loben das Bundeministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und die Bundesarchitektenkammer gemeinsam den Deutschen Architekturpreis aus. Der mit insgesamt 60.000 Euro dotierte Preis gilt als bedeutendste Auszeichnung für Architektinnen und Architekten in Deutschland. Für die Entwicklung des Bauens beispielhafte Bauwerke, die dem nachhaltigen Bauen in ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Hinsicht verpflichtet sind, sollen mit dem Preis gewürdigt werden. Eingereicht werden können Neubauten und auch Sanierungs- und Modernisierungsprojekte historischer Bausubstanz, die von einem vorbildlichen Umgang mit Konstruktion und Material zeugen.
Clevere Detaillösungen
Gustav Düsing und Max Hacke realisierten im Auftrag der TU Braunschweig das Studierendenhaus mitten auf dem Zentral-Campus der TU Braunschweig. Beide arbeiteten vorher als Assistenten an der TU Braunschweig und hatten bereits 2017 den Wettbewerb gewonnen, der unter den Assistenten und Assistentinnen der TU-Fakultät für Architektur ausgeschrieben worden war. Bauherrin des Studierendenhauses ist die TU Braunschweig. Überzeugt hat der Entwurf auch durch die vollverglaste Fassade, die in allen Bereichen des Pavillons eine hervorragende Beleuchtung mit Tageslicht bietet und Innen- und Außenraum miteinander verbindet. Die demontierbare, modulare Stahl-Holzhybridkonstruktion folgt den Achsmaßen der quadratischen Struktur aus Hohlprofilen. Die eingelegten Holzrippendecken sind nur punktuell verschraubt, die Fassade ist nicht verklebt und ebenso demontierbar. Somit können ganze Bauteile demontiert und wiederverwendet werden. Steckdosen und die Beleuchtung im Oberschoss sowie die Kabelführung sind in die Stützen und Träger integriert. Versorgt wird das Gebäude über Fernwärme aus 80 Prozent regenerativen Energiequellen in Kombination mit Erdsonden zur sommerlichen Kühlung. Ein Laubengang mit Vordach und Balkone sowie umstehende Bäume sorgen für genügend Schatten im Sommer: Schallschluckende-Vorhänge, Teppichboden und Akustikdecken ermöglichen eine angenehme Raumakustik, die den Studierenden gleichermaßen konzentriertes Lernen und eine kommunikative Umgebung ermöglichen.
Große Bandbreite an innovativen Ideen
Neben dem Deutschen Architekturpreis vergab die Jury fünf weitere Auszeichnungen und fünf Anerkennungen. Sie zeigen die ganze Bandbreite der Einreichungen. So wurde die Sanierung, Aufstockung und Umnutzung des historischen Kornversuchsspeichers Berlin-Moabit ausgezeichnet, der Neubau des Kunstraums Kassel - einer Ausstellungshalle für die Kunsthochschule Kassel -, eine Wohnanlage in Holzbauweise in Nürnberg, eine Heimschule des Therapiezentrums Osterhof in Baiersbronn sowie der Bau einer Maschinenhalle in Irschenhausen aus heimischem Fichtenholz, die auch als Veranstaltungsraum genutzt werden kann. Jedes der Projekte steht für innovative Ideen rund ums Bauen. So wurden etwa für die Beleuchtung des Kunstraums Kassel 864 eigens für das Projekt entwickelte Lichtlinsen aus Glas entwickelt, die ein gleichmäßig diffuses Licht in den Innenraum werfen. Das Gebäude aus Holz wurde in den denkmalgeschützten Bestand integriert und die vorgegebene Rasterung der Umgebungsbebauung in die neue Ausstellungshalle übertragen.
Eine Wohnanlage in Nürnberg-Katzwang überzeugte die Jury nicht nur durch die nachhaltige Holzsystembauweise, sondern auch durch die Effizienz der Bauausführung. Bauzeit und Kosten wurden durch exakte Planung und neutrale Einzelausschreibungen trotz Effizienzhaus-Anforderungen unterschritten. Die Holzsystembauweise mit unverkleideten Holzbetonverbunddecken, Massivholz-Trennwänden und einer Holzrahmenbauhülle in Kombination mit Betonfertigteilen zeigt exemplarisch die Potenziale moderner Holzbauweise. Durch einen nicht tragenden Innenausbau wurden Umbau optionen ermöglicht. Das Therapiezentrum Osterhof in Baiersbronn in ländlicher Umgebung ist eine weitere ausgezeichnete Holzkonstruktion. Hierbei überzeugte die Jury, wie mit lokalen architektonischen Typologien ein Ort der Ruhe und Geborgenheit für die dort unterrichteten verhaltensauffälligen Schüler geschaffen wurde. Alte Bausubstanz zu erhalten und Möglichkeiten zum Umbau auszuschöpfen, zeigt die Sanierung und Aufstockung des Kornversuchsspeichers in Berlin-Moabit, eines der ältesten Stahlbetonbauten Deutschlands. Der historische Schnitt des Gebäudes konnte erhalten werden, dennoch passt sich das Gebäude in seine Umgebung mit Neubauten hervorragend ein. WOLFRAM SEIPP
Erschienen im Tagesspiegel am 11.02.2024