Der Weg zum Telematik-Tarif ist simpel. Den Vertrag online oder bei einer Agentur abschließen, den per Post eintrudelnden Transponder an der Windschutzscheibe befestigen, App herunterladen und anmelden - fertig. Von diesem Moment an ist ein elektronischer Beifahrer an Bord, der - wenn das verknüpfte Smartphone mitfährt - jedes Gasgeben und Bremsen, jede Kurvenfahrt und jeden Tempoverstoẞ registriert und bewertet. Passt das Fahrverhalten ins vorgegebene Raster, wird der Lenker mal gelobt, mal neutral bewertet. Im gegenteiligen Fall setzt es„Ereignisse“: Zu schnell gefahren oder zu stark gebremst, zu scharf durch eine Kurve gepeilt: Das gibt Abzüge in der Bewertung und beim möglichen Rabatt. Letzterer wird, inklusive einer Bewertung jeder einzelnen Fahrt, in der App angezeigt. Bis zu 45 Prozent sollen so zu sparen sein, vor allem für Fahranfänger kann das ein Anreiz sein, ihre extrem hohen Einstiegs-Prämien zu verringern.

Leicht ist es aber nicht, einen nennenswerten Bonus einzufahren. Denn der Algorithmus, der den„Score“ beziehungsweise den Fahrwert errechnet, ist ziemlich streng. Wer etwa regelmäßig in der Großstadt unterwegs ist, auf lange Strecken sowie Nachtfahrten zwischen 23 und 5 Uhr nicht verzichten kann und zwischendurch mal ein paar Stundenkilometer über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist, hat praktisch keine Chance, den höchsten Scorewert zu erreichen. Laut des Verbraucherportals Bayern locken die Versicherer, die Telematik-Tarife anbieten, mit Prämienrabatten von fünf bis 45 Prozent.
„Letzteres erfordert jedoch einen sehr hohen Scorewert und ist daher eher theoretischer Natur“, so das Urteil. Zudem beurteilt etwa die Verbraucherzentrale die Bewertung der Fahrparameter als fragwürdig. Denn abruptes Bremsen oder starkes Beschleunigen müsse nicht zwangsläufig einen riskanten Fahrstil bedeuten, weil auch sicherheitsorientierte Fahrer zu Ausweichmanövern und Vollbremsungen gezwungen würden.
Dass auch Fahrer ungünstiger bewertet werden, die im Berufsverkehr auf dem Weg zur Arbeit Unfallschwerpunkte passieren müssen, sei ebenfalls ungerechtfertigt. Zudem müsse man sich vor dem Abschluss eines Telematik-Tarifs grundsätzlich der Tragweite der Zustimmung zur Datennutzung bewusst sein. Schließlich erheben und speichern die Versicherer eine Menge sensibler Verkehrsdaten, zudem überwachen sie das Fahrverhalten und speichern individuelle Bewegungs- und Verhaltensprofile. Wenig überraschend: Laut der Assekuranzen werden dabei alle relevanten datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten. Die Datensätze, die etwa bei der HUK über eine Dienstleistungsgesellschaft verarbeitet werden, würden strikt getrennt behandelt, so ein Versicherungs-Manager im Portal Dr. Datenschutz. Welche Person welche Fahrten durchgeführt hätten, sei von der Versicherung nicht zu erkennen. Von der Dienstleistungsgesellschaft erhalte man lediglich den berechneten Score.
Dennoch sind Verbraucherschützer von der automatischen Datenübermittlung an die Versicherer nicht gerade angetan: „Viele der angebotenen Tarife sind intransparent. Und auch im Hinblick auf den Datenschutz sind sie mindestens mit Vorsicht zu genießen“, wird etwa eine Sprecherin des Bundes der Versicherten (BdV) bei Dr. Datenschutz zitiert. Und die Verbraucherzentrale rät dazu, vor einem Vertragsabschluss in jeden Fall aufmerksam die Datenschutzbestimmungen durchzulesen. Was werde zum Schutz der personenbezogenen Daten unternommen? Welche Daten müssen zwingend übermittelt werden, was ist freiwillig? Gibt die Versicherung Daten heraus, etwa an Vertragspartner oder an die Polizei? Nach welcher Zeit werden die Daten gelöscht? Gibt es auf diese berechtigten Fragen keine überzeugenden Antworten, wäre es sicher besser, dann doch einen herkömmlichen Tarif zu wählen.
Rudolf Huber
Telematik ausprobiert

Seit ein paar Monaten begleitet mich der Telematik-Sensor bei meinen täglichen Fahrten. Er startet automatisch die Routen-Aufzeichnung, wenn das eingeschaltete Smartphone mit der entsprechenden App mit an Bord ist. Ein bisschen ist das Gefühl wie bei der Fahrprüfung vor vielen Jahren. Man fühlt sich beobachtet - und kann nach der Fahrt seine Noten nachschauen. Viel Spielraum lässt der Aufpasser nicht, schon wenn ich mit gerade mal 30 Sachen durch den Kreisverkehr schleiche, kann es eine Lenk-Rüge setzen. Illustriert wird die mit einer Grafik, die meine Fahrstrecke zeigen soll - damit aber definitiv kräftig daneben liegt. Es sieht nämlich so aus, als hätte ich zuerst die falsche Abzweigung genommen und hätte dann mit einem Powerslide auf der Stelle gedreht. Was natürlich Quatsch ist. Wenn ich wegen eines plötzlich vor mir abbiegenden Autos kräftig bremsen muss, sammle ich wieder Minuspunkte. Verbunden mit dem Hinweis: „Vermeiden Sie abruptes Bremsen, es sei denn, eine Gefahrenbremsung ist erforderlich.“ Guter Ratschlag, da wäre ich von alleine gar nicht drauf gekommen. Mein Fazit: Sparen per Telematik-Tarif ist sicher ein guter Ansatz, wenn man denn kein Problem damit hat, noch viel mehr persönliche Daten als sowieso schon zu verbreiten. Wer allerdings wie ich seit Jahrzehnten weitestgehend unfallfrei viele tausend Kilometer pro Jahr unterwegs ist, kann den Spareffekt eher vergessen: Normales Fahren reicht für einen Rabatt nicht aus. hu
Erschienen im Tagesspiegel am 21.05.2024