Zuhause im eigenen Bett schmerzfrei und friedlich im Kreise von Angehörigen einzuschlafen und morgens I nicht mehr aufzuwachen, bleibt für die meisten Menschen, die sich mit Sterben und Tod auseinandersetzen, ein unerfüllter Wunsch. Hier hilft die Palliativversorgung. Denn: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“, hat die Gründerin der Hospizbewegung Cicely Saunders (1918-2005) gesagt. So ist die daraus entstandene Palliativversorgung auch darauf ausgerichtet, Schmerzen bestmöglich zu lindern und einen würdevollen Sterbeprozess möglichst zuhause, in vertrauter Umgebung, zu ermöglichen.
Rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen werden nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Deutschland von Angehörigen zu Hause versorgt. In der Regel werden sie von ambulanten Pflegediensten unterstützt. Mit dem höchsten Pflegegrad fünf sind es laut Statistischem Bundesamt noch mehr als 70.000 Pflegebedürftige, die zuhause gepflegt werden. Im häuslichen Umfeld werden notwendige medizinische Maßnahmen vom Hausarzt und ambulanten Pflegediensten abgedeckt. Reicht die allgemeine Palliativversorgung zur Symptomlinderung nicht aus, kann der Hausarzt einen Arzt mit der 2003 eingeführten Zusatzweiterbildung in Palliativmedizin oder ein sogenanntes „Palliative-Care-Team“ hinzuziehen. Die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen für diese Palliativversorgung umfasst eine ständige Erreichbarkeit - tagsüber und nachts - der betreuenden Teams. Für die besonderen Ansprüche in der Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen wird eine spezialisierte pädiatrische Palliativversorgung (SAPV) erbracht.
Falls eine ambulante Versorgung zu Hause auch mit externer Unterstützung durch Hausarzt, Pflegedienst, SAPV-Team oder einem ambulanten Hospizdienst nicht mehr gewährleistet werden kann, bietet sich die Aufnahme in einem stationären Hospiz an. Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass Patienten an einer Erkrankung leiden, bei der eine Heilung ausgeschlossen ist und die Lebenserwartung voraussichtlich nur noch einige Monate beträgt. Der Anspruch der Hospize ist es, eine würdevolle, möglichst schmerzfreie Sterbebegleitung zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit den Angehörigen und deren psychologische Betreuung ist Teil des Konzepts.
Fast die Hälfte aller Menschen müssen nach Zahlen des Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV) die letzten Lebenswochen im Krankenhaus verbringen, zumeist auf einer allgemeinmedizinischen Station. Ein Teil von ihnen benötigt in dieser letzten Lebensphase eine spezialisierte Versorgung auf einer Palliativ-Station. Dies sind eigenständige in die Kliniken integrierte Einheiten, die das Ziel haben, Patienten soweit zu stabilisieren, dass sie nach Hause oder zurück in die Pflegeeinrichtung entlassen werden können, um in vertrauter Umgebung ihre letzten Tage zu verbringen. Palliativmedizinische Konsiliardienste in den Krankenhäusern beraten Pflegende und behandelnde Ärzte bezüglich Palliativmedizin, Schmerztherapie, Symptomkontrolle und psychosozialer Begleitung und werden in der Regel von den Stationen wie der Chirurgie oder der Inneren angefordert.
Palliativstationen in Kliniken fehlen
Eigentlich besteht für Patienten im Krankenhaus das Recht auf einen verlässlichen, bedarfsgerechten und geregelten Zugang zur spezialisierten und allgemeinen Palliativversorgung. Die Verfügbarkeit palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen und der Zugang zur Palliativversorgung im Krankenhaus bleibe in den meisten Fällen jedoch dem Zufall überlassen, kritisieren der Deutsche Hospiz und Palliativverband (DHPV), die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) in einer gemeinsamen Presseerklärung. Nur etwa 15 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland verfügten über Palliativstationen, die vor allem auf Schmerzbekämpfung und Schmerztherapie spezialisiert seien. Ein leistungsrechtlich relevanter Anspruch auf allgemeine oder spezialisierte Palliativversorgung, vergleichbar etwa mit dem auf spezialisierte, ambulante Palliativversorgung (SAPV) für ambulante Patienten, bestünde im Krankenhaus nicht. Die Palliativversorgung hat vor allem das Ziel, starke Schmerzen zu lindern und Patienten medikamentös so einzustellen, dass sie ihre Umgebung noch bewusst wahrnehmen können. Psychische Komponenten werden in die Therapie einbezogen, denn Schmerz ist nicht nur eine körperliche Empfindung. Die Schmerztherapie sollte rechtzeitig einsetzen, bevor sich die Gedanken betroffener Patienten auf die Schmerzen fokussieren. Eine gezielte Schmerztherapie wird häufig erschwert, weil betagte Patienten etwa durch Demenzerscheinungen oder Schwäche ihre Schmerzen oft nicht genau mitteilen und lokalisieren können. Betreuende müssen daher auf indirekte Schmerzzeichen, wie Anspannungen, Verkrampfungen oder Unruhe achten. Ziel ist es, eine durchgängige Schmerzlinderung zu erreichen. Die medikamentöse Schmerztherapie kann durch Schmerzpflaster und Schmerzpumpen ergänzt und besser dosiert werden. Operativ können gezielt einzelne Nerven ausgeschaltet werden. In der Regel werden heute Opioide, wie etwa Morphium, zur Schmerztherapie eingesetzt. Bei Antirheumatika drohen vor allem bei älteren Patienten - als Nebenwirkungen Magengeschwüre und Blutungen.
Wolfram Seipp
Erschienen im Tagesspiegel am 17.05.2024