Kürzlich wurden die Siegerinnen und Sieger des Bundeswettbewerbs Mathematik 2023 gekürt. 16 Jugendliche setzten sich in den drei Ausscheidungsrunden durch, darunter zwei Schülerinnen: Antonia Zerbs vom Maria-Theresia-Gymnasium in München sowie Réka Amélie Wagener aus Siegen im Sauerland. Immerhin fünf der zwölf weiteren Gewinner stammen aus Bayern: Benjamin Graf vom Hochfranken-Gymnasium im oberfränkischen Naila, Philippos Dimitriou vom Josef-Hofmiller-Gymnasium in Freising, Lars Krabbenhöft vom Gymnasium Höchstadt a.d.Aisch, Alexander Koblbauer vom Tassilo-Gymnasium in Simbach a. Inn sowie Henrik Schlüter, inzwischen ein ehemaliger Schüler des Münchner Wittelsbacher Gymnasiums. Der Höchstädter Lars Krabbenhöft konnte sich über seinen bereits zweiten Bundessieg freuen, Alexander Koblbauer und Henrik Schlüter räumten sogar schon ihren dritten Titel ab. Die beiden sind dennoch nicht Spitzenreiter beim Wettbewerb der besten deutschen Mathetalente. Boldizsár Mann errang nach 2020, 2021 und 2022 im vergangenen Jahr bereits seinen vierten Titel in Folge. Das mögliche Mathegenie stammt allerdings nicht aus dem Freistaat, Boldizsár Mann lebt in Essen.
Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz gratulierte dem bayerischen Mathematik-Nachwuchs zu dessen Erfolg: „Herzlichen Glückwunsch unseren bayerischen Gewinnern! Es ist schön zu sehen, welch großartige Talente wir in unserem Land haben. Mein Dank geht auch an alle bayerischen Lehrkräfte, die die Begeisterung für Mathematik bei unseren jungen Menschen wecken.“
Im inoffiziellen Bundesländerranking liegt Bayern ganz vorn: Von den zehn weiteren Preisträgern stammen zwei aus Nordrhein-Westfalen, zwei weitere aus Niedersachsen, jeweils einer aus den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Ein weiterer Berliner geht mittlerweile im niedersächsischen Göttingen zur Schule. Zehn Bundesländer gingen leer aus.

Die beiden Preisträgerinnen und ihre 14 Kollegen werden nun in die Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen. Im Sommer dürfen sie gemeinsam mit Weltklasse-Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn forschen, diskutieren und lernen.
Quasi ein Sahnehäubchen ist die Teilnehmerzahl: Rund 1800 Jugendliche waren im vergangenen Jahr ins Rennen um den Titel gegangen, fast genauso viele wie im Rekordjahr 2022 mit 1878 Bewerberinnen und Bewerbern. In den Jahren zuvor lag der Schnitt in der Regel bei rund eintausend Schülerinnen und Schülern, die sich dem Wettbewerb stellten. Ist das ein Erfolg für die Bemühungen der diversen Bundesbildungs- sowie Kultusministerinnen und -minister, die Bedeutung der MINT-Fächern in der öffentlichen Diskussion zu stärken? Zumal nur zwei junge Frauen ausgezeichnet wurden, obwohl in der ersten Runde Mädchen und junge Frauen mehr als ein Drittel der Teilnehmenden ausmachten.
Der Bundeswettbewerb Mathematik wurde schon 1970 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ins Leben gerufen. Er richtet sich mittlerweile an Schülerinnen und Schüler ab Klasse neun. Der Wettbewerb wird gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie Sponsoren aus der Wirtschaft finanziert. Das war zu einer Zeit, als die Vokabel „mint“ bestenfalls Peanut-Fans geläufig war, dank „Peppermint Patty“, eine der Figuren des Comic Strips. Übrigens ein starkes und selbstbewusstes Mädchen, das zunächst in den USA (seit Einführung der Figur im Jahr 1966) und einige Jahre später im gesamten Ausstrahlungsgebiet einen gewissen Rollenvorbild-Charakter hatte. So wie zwanzig Jahre später der TV-Charakter der Forensikerin Dana Scully, Heldin der Serie X-Files (1993 bis 2002, in Deutschland ab 1994). Nach ihr wurde der „Scully-Effekt“ benannt: Er besagt, dass die Kenntnis des fiktiven Charakters „Scully“ Rückschlüsse auf die Berufswahl in einem der MINT-Berufe ermöglicht. Dabei bestand bei Frauen, denen dieser Charakter (während der Laufzeit der Serie) bekannt war, eine höhere Wahrscheinlichkeit in einem MINT-Fach tätig zu werden.

Der Gedanke, dass es dem Ingenieurs- und Erfinderland Deutschland je an Nachwuchs mangeln könnte, lag Bildungsverantwortlichen in den Siebzigerjahren völlig fern, auch Anfang der Neunziger fand er kaum Beachtung. Ab Anfang der 2000er-Jahre nahm die MINT-Diskussion in Deutschland dann Fahrt auf. Die damalige Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD, 1998 - 2005), thematisierte regelmäßig die Förderung von Frauen in der Wissenschaft, ihre Nachfolgerin Anette Schavan (CDU, 2005 - 2012) rief 2008 einen „Pakt für Frauen in Naturwissenschaft und Technik“ ins Leben.


Tatsächlich ist der Anteil der Studienanfängerinnen in MINT-Fächern von 2002 bis 2022 signifikant gestiegen, wie das Bundesamt für Statistik im Januar mitteilte: von 53.000 (2002) auf 107.000 im Jahr 2022. Gleichzeitig ist auch die Gesamtzahl der MINT-Studierenden gewachsen: von 168.000 auf 307.000. Wobei seit den Pandemie-Jahren ein Rückgang zu beobachten: In den Jahren 2017 bis 2019 stiegen rund 350.000 junge Frauen und Männer in ein MINT-Studium ein - davon zwischen 117.000 bis 119.000 Frauen, womit der Frauenanteil 2019 bei 34 Prozent lag.
Die Deutsche Mathematische Gesellschaft (www.mathematik.de) hat die Statistiken nach Mathematikerinnen durchforstet und dabei interessante Zahlen zutage gefördert: Demnach ist die Anzahl der Mathematik-Studierenden (alle Semester) in den vergangenen zwanzig Jahren wie bei den MINT-Fächern deutlich gestiegen (von rund 45.000 auf 62.000), mit einem besonders hohem Plateau Ende des vergangenen Jahrzehnts (67.000), doch eine dramatische Diskrepanz zwischen Frauen- und Männeranteil wie in den naturwissenschaftlichtechnischen Fächern hat es in diesem Zeitraum nie gegeben: So waren im Wintersemester 2001/02 rund 24.000 Mathe-Studenten und 20.000 Studentinnen eingeschrieben. Zwanzig Jahre später sind es rund 35.000 junge Männer und knapp 30.000 junge Frauen, die Mathematik studieren. In den Jahren 2006 bis 2010 lag der Frauenanteil bei fast 50 Prozent. Ein Grund: Der hohe Frauenanteil bei den mathematischen Lehramtsstudiengängen - im Jahr 2020 lag er bei rund 67 Prozent. Einen Masterabschluss strebten dagegen deutlich mehr Männer an, rund 61 Prozent. Bei den Promotionen wächst die Diskrepanz weiter: „Von 572 abgeschlossenen Promotionen im Jahr 2020 waren mit 140 Frauen nur ein Viertel aller Promovenden weiblich“, heißt es auf mathematik.de.
Unabhängig vom Abschluss wären allein wegen der vielen Mathematik-Studentinnen deutlich mehr Siegerinnen im Bundeswettbewerb Mathematik zu erwarten. Ob an allen Schulen laut genug für den Wettbewerb getrommelt wird oder wie überhaupt die Förderung von Frauen und Mädchen in diesem Fach erfolgt, kann keine Statistik er-fassen. Hier zumindest der Hinweis auf die anlaufende Wettbewerbssaison 2024: Die erste Runde läuft noch bis zum 4. März. Insgesamt besteht der Wettbewerb aus zwei Hausaufgabenrunden und einem mathematischen Fachgespräch. Die erste und zweite Runde umfassen jeweils vier Aufgaben, die im Schulunterricht meist so nicht behandelt werden“, heißt es auf der Seite www.bundeswettbewerb-mathematik.de . Sie können in knapp drei Monaten Bearbeitungszeit eigenständig bearbeitet werden. In der dritten Runde müssen die Teilnehmenden ihr Wissen in einem mathematischen Fachgespräch beweisen.
Hier ein Blick in die aktuell zu lösenden Aufgaben, die auf der oben genannten Seite zu finden sind: Eine lautet zum Beispiel: „Kann eine Zahl 44...41, deren Dezimaldarstellung aus einer ungeraden Anzahl von Ziffern 4 gefolgt von einer Ziffer 1 besteht, eine Quadratzahl sein?“ Wie immer in der Mathematik muss die Richtigkeit der Antwort bewiesen werden.
Wie Lösungen einzureichen sind und welche Hilfsmittel gestattet sind, wird ebenfalls auf der Seite erklärt. Außerdem gibt es einen großen Pool an Übungsaufgaben. Es winken zahlreiche Preise. Die Bundessiegerinnen und Bundessieger werden zu Beginn ihres Studiums in die Förderung der Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen.
Horst Kramer
Veranstaltungshinweis
Die Döpfer Schulen München laden herzlich zum Berufsinfotag ein: Am Dienstag, 27. Februar 2024, werden um 17 Uhr in der Würzburger Straße 4 die staatlich anerkannten Vollzeit-Ausbildungen für Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie vorgestellt. Für Schülerinnen und Schüler ist diese Veranstaltung die optimale Gelegenheit, ein Gefühl für den Ablauf der schulischen Ausbildung und das Ambiente in unseren Räumen zu bekommen. Das Team steht für individuelle Fragen gern zur Verfügung und erklärt alles, was wichtig ist für eine Entscheidung zur Ausbildung als Physiotherapeut, Ergotherapeut oder Logopäde. Weitere Termine und Informationen unter: www.doepfer-muenchen.de
Erschienen im Tagesspiegel am 23.02.2024