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Ein aussterbendes Möbel: Die Geschichte der Phonomöbel

DAS IN KEMPEN AM NIEDERRHEIN BEHEIMATETE UNTERNEHMEN ALDERS & LANGE BAUT BIS HEUTE KLASSISCHE PHONOMÖBEL. FOTO: ALDERS & LANGE

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Ein aussterbendes Möbel: Die Geschichte der Phonomöbel

Phonomöbel: Wie sie einst das Sounderlebnis prägten, wie sie sich der technischen Entwicklung angepasst haben und wo sie heute noch hergestellt werden.

Es gibt Möbel, die vom Typ her immer Bestand haben werden. Schränke, Tische-Stühle et cetera. Steht aber ein Einrichtungsobjekt im Kontext zu modernen elektr(on)ischen Geräten, kann es aufgrund der rasanten technischen Entwicklung schnell überflüssig werden. So erging es den Phonomöbeln. Die Musiktruhe oder der Musikschrank - manche Modelle nahmen später auch den Fernseher auf - folgte in der Zusammenstellung von Anfang an der Entwicklung der Unterhaltungselektronik. Zum Radio kam der Plattenspieler dazu, dann auch das Tonbandgerät, dessen Platz später das Kassettendeck einnahm. Darin enthalten waren auch die Lautsprecher, da es zunächst ja nur um Mono-Geräte ging. Stauraum gab es nicht nur für Schallplatten und Tonbänder. Manche Phonomöbel enthielten auch eine Minibar, gehörte es doch zum guten Ton, den Musikgenuss mit einem Drink zu verbinden. Solche Gerätekombinationen in einem Möbel gab es schon 1929. Das Unternehmen Grundig hatte da die Nase vorne und lieferte weltweit. Einen der ersten Stereoschränke in HiFi (High Fidelity) Qualität bot 1963 ebenfalls Grundig mit dem HiFi-Studio 50 an, einem Phonomöbel von wohl auf den Klassikhörer abzielender antiker Optik. Vermutlich deshalb sprach der Hersteller hier vom Konzertschrank. Eine für uns reichlich hochgegriffene Bezeichnung, doch damals dürfte das Sounderlebnis überwältigend gewesen sein und tatsächlich mit dem Besuch eines Livekonzerts konkurriert haben. Aber es gab auch Ausführungen im zeitgemäßen Design, wohl für die Hörer der Unterhaltungsmusik, dennoch ebenfalls aus Edelholz.

1956 stieß der Hersteller Braun dazu, wobei er von Anfang an auf modernes, klares und funktionales Design setzte. Die Elektronik sollte nicht versteckt, sondern zur Schau gestellt werden, daher die Einführung der Haube aus Acrylglas. Die Musiktruhe mit der Glasabdeckung bekam aufgrund dessen den Beinamen Schneewittchensarg. Der Erfolg des Phonomöbels setzte auch andere Hersteller von Musikgeräten unter Zugzwang, die durchaus respektable Kombimöbel in den Handel brachten. So etwa AEG, Blaupunkt, Electrola, Siemens, Telefunken und viele mehr. Eine wichtige Neuerung im Phonomöbel war der Verstärker, auf den es bei der Soundqualität letztendlich ankam. Zunächst riesige Röhrengeräte, die später transistorbasiert deutlich schrumpften. 

Von Bedeutung war allerdings weniger die Watt-Leistung als vielmehr die Klangfülle. Zumindest bei Geräten für den privaten Gebrauch. Anders bei Phonomöbeln, die sich in Bars, Hotels und Lobbys zu bewähren hatten. Aber Phonomöbel waren nicht nur für Hersteller der Sounderzeuger interessant, obgleich die reinen Möbeldesigner deutlich in der Unterzahl blieben. Legendär waren die Designs von Kuba-Imperial beziehungsweise schlicht Kuba. Das Unternehmen bot von 1948 bis 1972 ausschließlich „Tonmöbel“ an, dies jedoch in bisweilen spektakulären Varianten. Zu Beginn baute Kuba nur Möbel, die von Spezialisten wie Graetz, Loewe-Opta, Nordmende, SABA, Telefunken, Dual, Philips, Telefunken und AEG mit Spitzengeräten ausstaffiert wurden. Nach der Übernahme von Continental Rundfunk GmbH 1958 war die nun in Imperial Rundfunk und Fernsehwerk GmbH umbenannte Unternehmensgruppe selbst in der Lage, die meisten Geräte herzustellen. 

1958 stellte Kuba bei der Funkausstellung die futuristisch anmutende Kombinationstruhe „Komet“ vor. Das als avantgardistisch geltende Gehäuse nahm Fernsehgerät, Radio, Plattenspieler und Lautsprecher in sich auf. Zahlte man etwas drauf, war auch ein Telefunken-Magnetophon dabei. 200 Kilo wog die Truhe und kostete ein Vermögen: bis zu 3498 Deutsche Mark. Für die klassisch gestaltete Truhe „Königin von SABA“ mussten Interessenten gar 4895 DM auf den Ladentisch legen. Auch heute gibt es noch Phonomöbel, etwa von Alders & Lange in Kempen am Niederrhein. Ansonsten beschränken sich Möbelhersteller auf das Angebot universeller Gehäuse, die genug Platz bieten, diverse Geräte aufzunehmen. Doch die technische Entwicklung macht auch sie zunehmend überflüssig. REINHARD PALMER

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 20.01.2024

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