Süddeutsche Zeitung

Unterhalt im Scheidungsfall:Die Frauen sind die Dummen

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Die Reform des Unterhaltsrechts hat zu einer unklaren Rechtslage geführt - es muss von Fall zu Fall entschieden werden. SZ-Leser sehen sie zudem als Ungerechtigkeit - und Rückschritt.

Zu "Das neue Unterhaltchaos" (17.September) schreiben Leser:

"Wo bleibt der Aufschrei der Frauen, genauer der langverheirateten Frauen? Es ist nicht die Frage, ob eine Ehe weiterhin eine Versorgungsehe sein soll, das ist nicht mehr zeitgemäß und alle Ehen, die jetzt geschlossen werden, sollten unter dieser Vorgabe laufen. Aber was ist mit Ehen, die vor zehn, 20 oder 30 Jahren geschlossen wurden? Was ist mit Frauen, die in Absprache mit ihrem Mann nicht gearbeitet haben, sondern sich um Haushalt und Kinder gekümmert haben?

Die Betonung liegt auf "Absprache", denn es handelt sich oft um Frauen, die selbst eine sehr gute Berufsausbildung haben, aber vereinbart haben wegen der Kinder daheim zu bleiben. Sie haben sich auf ihre Männer verlassen. Wenn ihre Ehe geschieden wird, haben sie nach dem neuen Unterhaltsrecht erhebliche finanzielle Nachteile hinzunehmen. Sie müssen schnell in das Berufsleben einsteigen - obwohl sie lange ausgesetzt haben.

Wenn schon Arbeitnehmer mit Anfang 50 kaum noch eine Stelle finden, wie sollen Frauen ohne Berufserfahrung erfolgreich sein? Jetzt werden sie in die Armut getrieben. Für diese Frauen muss der Ex-Mann weiterhin und zwar unter den Bedingungen, unter denen die Ehe geschlossen wurde zahlen, sprich: Versorgungsehe."

Heide Monheimius-Strack München

Abkehr vom austarierten Kompromiss

"Trotz der sorgfältig begründeten Ablehnung durch den deutschen Familiengerichtstag hat die Justizministerin sich von scheidungsfolgengeschädigten Abgeordneten und unverständlicherweise insbesondere von Frauen dazu bewegen lassen, den sorgfältig austarierten Unterhaltskompromiss von 1977 so zu reformieren, dass die Vorhersehbarkeit von Rechtsfolgen als wesentlicher Teil des Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG nicht mehr gewährleistet werden kann.

Jedem Betroffenen muss geraten werden, den Rechtsweg vollständig auszuschöpfen. Die Eherechtsreform von 1977 wollte auch die Alleinverdienerehe schützen, ein Modell, das insbesondere von Menschen in Leitungsfunktionen bevorzugt wird, weil sie die Kindererziehung dem Partner überlassen. Dieser Kompromiss aus dem Jahre 1977 hat letztlich zu einer gesellschaftlich akzeptierten Rechtsprechung geführt hat, die auch rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. Das neue Unterhaltsrecht unterminiert diese Akzeptanz.

In meiner 25-jährigen Praxis als Familienrichter wurde die verschärfte Unterhaltshaftung gegenüber minderjährigen Kindern auch von wenig verdienenden Unterhaltsverpflichteten weitgehend akzeptiert. Die Gleichstellung von minderjährigen Kindern mit dem unterhaltsberechtigten Ehegatten schwächt die Stellung der Kinder - diese Entwicklung kann niemand wollen. Man kann nur hoffen, dass der Familiengerichtstag empfiehlt, diese Unterhaltsreform zurückzunehmen."

Reiner Plorin Hamburg

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SZ vom 29.09.2009
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