Süddeutsche Zeitung für Kinder:Räuber mit Sonde

Er schleicht übers Feld und nimmt heimlich einen Römerschatz mit: Dieser Fall ist keine Ausnahme

Hans Kratzer

Der Landstrich südlich der Donau, der heute als Ober- und Niederbayern bekannt ist, war bis zum fünften Jahrhundert nach Christus eine Provinz des römischen Weltreichs. Sie hieß Rätien. Um die Grenze an der Donau zu sichern, hatten die Römer in der Nähe der heutigen Stadt Deggendorf ein Militärlager errichtet, das Kastell Quintanis. Daraus wurde später der bayerische Ortsname Künzing. Um das Jahr 250 haben germanischen Reiterhorden dieses Kastell überrannt. Sie metzelten die römischen Bewohner nieder, aber einigen gelang es noch, ihr Hab und Gut im Ackerboden zu vergraben, beispielsweise das wertvolle bronzene Tischgeschirr. Allerdings schafften es die Römer nicht mehr, diese Kostbarkeiten wieder auszugraben. Sie waren nach dem Überfall entweder tot oder auf der Flucht. Ihre im Boden schlummernden Schätze gerieten in Vergessenheit. Erst im Jahr 1998 begann ein Mann, auf diesem Acker gezielt danach zu suchen. Und tatsächlich beförderte er den Künzinger Römerschatz wieder ans Tageslicht. Zum Vorschein kamen Küchengeräte, Weinkrüge und Bronzegefäße. Als eines der kostbarsten Fundstücke aber gilt eine kleine bronzene Statue, auf deren Sockel zu lesen ist, dass der Veteran Ingenus dieses Kleinod gestiftet hatte.

Der Mann, der den Schatz gefunden hat, ist kein Archäologe. Im Juli 1998 schlich er sich in der Dämmerung in ein Künzinger Maisfeld. Er hatte einen Spaten dabei und einen Metalldetektor, mit dem er gleichsam in den Boden hineinhorchte. Anschließend bot er die wertvollen Fundstücke zum Verkauf an. Die moderne Technik macht es den Schatzgräbern heute besonders leicht. Suchgeräte zeigen punktgenau an, wo im Boden Metalle zu finden sind. Mit Metalldetektoren nach Altertümern zu suchen, ist ein beliebter Zeitvertreib geworden. Viele hoffen auf den großen Fund, den sie teuer verkaufen können. Es darf zwar jeder Bürger mit solchen Sonden den Boden absuchen, aber das Graben auf fremdem Grund ist verboten. Jene, die es trotzdem tun, nennt man Raubgräber. Für die Wissenschaft entsteht dadurch ein enormer Schaden. Denn die Forscher können nur dann neue Erkenntnisse gewinnen, wenn sie ein Schmuckstück oder ein Grab im Boden unangetastet vorfinden. Das Internet zeigt die Folgen der Raubgräberei. Zu Tausenden werden dort antike Schätze verscherbelt, die ohne Erlaubnis ausgegraben wurden. In Kriegsgebieten wie Syrien, Irak und Afghanistan, wo die antiken Stätten oft nicht mehr beaufsichtigt werden, ist es in den vergangenen Jahren zu dramatischen Plünderungen gekommen. Viele machten sich - oft aus ihrer Not heraus - die Wirren zunutze, um antike Schätze zu Geld zu machen. Doch auch in Deutschland gibt es Raubgräber. Besonders in Bundesländern wie Bayern und Sachsen, weil Bodenfunde dort nicht automatisch dem Staat gehören, sondern zur Hälfte dem Finder und zur Hälfte dem Grundstücksbesitzer (siehe Kasten). Wenn jemand in Bayern ohne Erlaubnis gegraben hat und der Raubgräber, wie im Falle des Künzinger Römerschatzes, zu etlichen Tausend Mark Geldbuße verurteilt wird, so bleibt dennoch die Hälfte des Fundes sein Eigentum. Ein solches Gesetz schreckt Raubgräber kaum ab, es ermuntert sie sogar, sich die Schätze des Bodens anzueignen. In Bayern fordern Denkmalschützer deshalb immer wieder, das zu ändern. Bisher erfolglos. Zurzeit sind die Fundstücke aus Künzing im dortigen Museum Quintana ausgestellt. Der Schatz ist gemeinsames Eigentum der Gemeinde Künzing und der Archäologischen Staatssammlung in München, deren Förderverein ihn angekauft hatte. Damals wurde gestritten, ob es richtig war, einem Raubgräber etwas abzukaufen. Andernfalls aber hätte ein Sammler den Römerschatz erworben. Für die Allgemeinheit wäre er damit verloren gewesen.

Die neue "Süddeutsche Zeitung für Kinder" zum Thema Schätze liegt der Mittwochsausgabe der Süddeutschen Zeitung und ist als Digital-App für iPhone, iPad, Android und Windows 8 erhältlich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: