Süddeutsche Zeitung für Kinder:Gute Noten

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Der Designer Robert Kalina hat die Brücken und Tore auf den Euro-Scheinen gezeichnet - den Eiffelturm durfte er nicht zeigen.

Katja Schnitzler

In der Silvesternacht vor zehn Jahren stand Robert Kalina mit Kollegen von der Österreichischen Nationalbank in Wien und tauschte Schilling-Banknoten gegen Euro-Scheine. Das ist zwar nicht sein Job, aber schließlich war es sein Geld, das da an die Menschen verteilt wurde. Und so konnte Kalina am 1. Januar 2002 aus nächster Nähe beobachten, wie die Leute die neuen Scheine neugierig drehten und wendeten.

Auch heute noch fragen viele Menschen, was das für Torbögen auf der Vorderseite und was das für Brücken auf der Rückseite sind. Und wo diese Bauwerke stehen? Die Antwort ist: nirgends. Robert Kalina hat sie sich ausgedacht.

Die Länder, die ihre nationalen Währungen gegen den Euro tauschen wollten, waren streng: Auf den neuen Geldscheinen sollten keine Bauwerke zu sehen sein, die es in Wirklichkeit gibt. Denn wer hätte entscheiden sollen, ob nun der französische Eiffelturm auf den wertvollsten 500-Euro-Schein kommt, das Kolosseum in Rom oder das deutsche Brandenburger Tor? Auch Personen, die tatsächlich gelebt hatten, waren tabu. Pech für Mozart, Goethe und Schiller. Die Euro-Länder hatten 1996 einen Wettbewerb gestartet, 44 Geldschein-Designer schickten ihre Vorschläge ein. Einer von ihnen war Robert Kalina. Er hatte schon die alten Schilling-Banknoten für Österreich entworfen.

Manche Designer bildeten Tiere ab, der Österreicher Kalina entschied sich, Bauwerke zu zeichnen, so wie sie zu verschiedenen Zeiten in Europa gebaut wurden. Auf die Vorderseite zeichnete er Fenster und Tore. Sie stehen für die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft - und dafür, dass die europäischen Länder nichts voreinander zu verbergen haben. Die Brücken auf der Rückseite symbolisieren Verständigung zwischen den Nationen.

Das überzeugte die Jury, die unter anderem aus Historikern und Werbefachleuten zusammengesetzt war. Kalina kam in die Endrunde. Die zehn besten Vorschläge wurden Menschen gezeigt, die viel mit Geld zu tun haben: Taxifahrern, Bankfachleuten, Kassierern. Sie sollten sagen, welcher Euro-Schein ihnen am besten gefiel und Punkte dafür vergeben. Aus den Entwürfen mit den meisten Punkten wählten die Regierungen der Euro-Länder den Gewinner, "und bis zum Schluss wusste keiner, welcher Vorschlag aus welchem Land kam", berichtet Kalina.

Inzwischen haben sich die Europäer an die Scheine gewöhnt. Sogar für Robert Kalina sind sie zum Gebrauchsgegenstand geworden. Er denkt beim Bezahlen nicht jedes Mal: Toll, das ist mein Geld! Obwohl er es könnte.

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