Sprachlabor (178):Wirkt wie Luxus

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger beschreibt und bändigt.

Zwei Mädchen schauen in einem Duden etwas nach. (Foto: ag.dpa)

ZWEI KONJUNKTIVE mögen auf manchen wie ein Luxus wirken, aber wie sinnvoll jeder von ihnen ist, erweist sich unter anderem an der indirekten Rede. Dort wählt man üblicherweise den Konjunktiv I: Man sagt, er fresse wie ein Drescher. Der Konjunktiv II ersetzt den Konjunktiv I, wenn sich dieser nicht vom Indikativ unterscheidet: Man sagt, sie äßen (statt: essen ) wie die Drescher. Unser Leser E. weist darauf hin, dass bei Hilfsverben wie können oder dürfen so ein Ersatz überflüssig und falsch ist, und aus dem Grund rügt er auch den Satz: "Dies jedoch dürfte keinem Richter abverlangt werden." Was Herr E. meint, lautet in direkter Rede so: Hier muss es "dürfe" heißen. Nun in indirekter Rede: Hier müsse es "dürfe" heißen. Und weil es so schön ist, gleich auch noch im Potentialis: Hier müsste es "dürfe" heißen.

"STEINBRÜCK UNBESCHADET", war bei uns in der Überschrift zu lesen; dem folgte im Text die Mitteilung, dass Steinbrück die Debatte um seine Honorare "offenbar überhaupt nicht geschadet" habe. Unsere Leserin Dr. N. will nun wissen, ob zu dem falschen Gebrauch von unbeschadet - es hat nach heutigem Verständnis die gleiche Bedeutung wie die Präposition ungeachtet - im Grimmschen Wörterbuch Erhellendes zu finden ist. Wohlan! Grimm führt zwar unbeschadet auch noch im Sinn von schadlos (Klopstock: "Kam Rohrdommel ganz unbeschadet davon?"), beschreibt es aber vornehmlich als Präposition mit dem Genitiv oder Dativ. Dazu wird Goethe zitiert, der Werther nach Lottes und Alberts Heirat an Albert schreiben lässt, er sei "dir unbeschadet in Lottens Herzen". Wie es den Anschein hat, macht das in der Tat leicht antiquiert klingende Wort unbeschadet zur Zeit eine Metamorphose von der Präposition zum Adjektiv durch.

NICHT MEHR ZU BÄNDIGEN ist nach Leser K.s Gefühl die Vokabel "Nö". Das elektronische Archiv findet bei uns eine Jahresleistung von etwa 100 Nös, zusammen mit den anderen bei uns gebunkerten Medien bringen wir es im selben Zeitraum auf 750 Treffer. Herauszurechnen wären dabei die Namen Noe, Noé und Noë, die es als solchen nicht erkennt, die Kürzel NÖ für Niederösterreich sowie Zitate à la ",Nö, bloß müde', gähnte Lilia". Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass das Zwillingswort "Nee" in 1180 Fällen verwendet wurde, wobei eine sehr überschlägige Deutung zu der Vermutung führt, dass dem farbigeren "Nö" der Vorzug gegeben wird, wenn der Autor/die Autorin den Anschein erwecken will, dass sie dem Volk nicht nur aufs Maul schaut, sondern selbst Volkes Maul ist. Umso erstaunlicher, dass die umgangssprachlichen Varianten von "Ja" kaum je verwendet werden, obwohl sich doch mit "Jou", "Jupp", "Jo", "Jepp", "Joa", "Jau", "Yo", "Jodihoo", "japp" oder "yihaa" (allesamt aus Wikipedia) gut auf Schau arbeiten ließe.

© SZ vom 08./09.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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