Sprachlabor (174):Geschlagen und gestiefelt

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger gibt den Verkehrsmitteln die richtigen Namen und begegnet einem seltsamen Wort.

Bad Kösener Spielzeugmanufaktur

Nebeneinander stehen die fünf "Figuren" (v.l.n.r.) Fuchs als Jäger, gestiefelter Kater, Löwenkönig, Katze als Musketier und Löwenprinz) aus dem Sortiment der Kösener Spielzeugmanufaktur GmbH (Foto von 2002).

(Foto: RUMPF, STEPHAN)

"WORTSCHÖPFUNGSKRAFT", noch dazu "semantische": Wenn die einem Kollegen attestiert wird, kann man Gift darauf nehmen, dass das ironisch gemeint ist - und genau dies hatte Leser J. im Sinn, als er in dem Halbsatz "wenn ein Mensch geschlagen und gestiefelt wird" besagte Kraft wirken sah. Es ging Herrn J. um das Partizip gestiefelt , das im allgemeinen Sprachgebrauch eher sparsam eingesetzt wird: Der gestiefelte Kater, gestiefelt und gespornt, nachts vom Wirtshaus heimgestiefelt. Leider ist die Welt schlecht, und infolge dieser Schlechtigkeit scheint dem Verb stiefeln die Nebenbedeutung jemanden mit Stiefeln treten zuzuwachsen. In den Zeitungen findet man Belege wie "brutal zusammengeschlagen und gestiefelt", "Die haben den gestiefelt" oder "Wilder Streit im Suff: Bauarbeiter gestiefelt", und es wäre nicht nur für Herrn J. gut, wenn dieser semantische Zuwachs wieder verschwände.

WAS DER FLIEGER in der Luft ist, das ist der Laster auf dem Boden, und nicht wenige Leser rügen uns, wenn wir Flieger statt Flugzeug und Laster statt Lastkraftwagen schreiben. Leserin K. war nur enttäuscht, denn sie hatte sich unter der Überschrift "Vier Wochen ohne Laster" Tipps zur Verbesserung ihres Lebenswandels versprochen, musste dann aber lesen, dass es bei MAN eine Betriebsruhe der genannten Länge gebe. Ihren Zuruf "Müßiggang ist aller Laster Anfang" leiten wir an MAN weiter - mal sehen, ob das mit deren Produktionsphilosophie übereinstimmt.

"DICH WILL ICH LOBEN, Hässliches, / du hast so was Verlässliches", sagt der Dichter, und ebenso verlässlich trifft unser Leser Dr. W. immer wieder auf "eines der scheußlichsten Wörter", die er kennt, auf einpflegen . Scheußlich? Sagen wir so: eines der seltsamsten Wörter. Das liegt an dem Präfix ein- , dessen intensivierende Kraft wir an Wörtern wie eindübeln, einbimsen, einschlagen oder einhämmern bewundern und das in Verbindung mit dem sanften Verb pflegen zunächst ziemlich komisch klingt: Der Kranke wurde eingepflegt, dass ihm Hören und Sehen verging. Mittlerweile ist einpflegen zum kaum noch angefochtenen Terminus technicus dafür geworden, dass Daten in ein Programm eingearbeitet werden. Das Schonende, das mit dem Begriff Pflege verbunden ist, spielt da wahrscheinlich mit und wird jedenfalls die der Einpflegung ausgesetzten Programme erfreuen. Was Herrn Dr. W. bei uns aufstieß, war die (möglicherweise ironisch formulierte) Mitteilung, dass ein Aktenvermerk in ein Vernehmungsprotokoll "eingepflegt" worden sei. Er fürchtet nun, dass er nächstens im Feuilleton lesen muss, Hölderlin oder Kafka hätten nachträglich Änderungen in ihre Manuskripte eingepflegt. So weit wird es nicht kommen, doch haben wir zur Sicherheit diese kleine Erörterung in den Verhaltenskodex des Feuilletons eingepflegt.

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