Sprachlabor (87):Ärger mit dem Titel

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SZ-Redakteur Hermann Unterstögers Streben nach sprachlicher Korrektheit.

NESTBESCHMUTZUNG ist erlaubt, wenn bereits Dreck im Nest ist; sie erwächst zur Pflicht, wenn das Nest anders nicht sauber wird. So könnte man in Abwandlung jenes Aphorismus sagen, den Karl Kraus der Selbstbespiegelung gewidmet hat. Wir haben uns lange um die Sache herumgedrückt, dabei aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, sprich: ohne die Leser, die den Fall immer wieder aufgegriffen und dieser Rubrik in aller Freundlichkeit unterstellt haben, sie sei halt auch nur Krähe unter Krähen und habe entsprechende Hackhemmungen. Gemeint war damit, dass zwar der Splitter im Auge der Kollegen gesehen werde, nicht aber der Balken im Auge der Hierarchen.

Klarer Durchblick dank Brille und Duden (Foto: AP)

Es geht um die neue Edition "Meister Singer", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die bewährten Editionen "Klavier Kaiser" und "Jahrhundert Geiger" nicht nur materiell fortzusetzen, sondern auch mit dem nämlichen Fehler im Titel. In der Tat hält die Redaktion sich aus der Gestaltung solcher Projekte in aller Regel heraus, doch wenn unser eh schon mühsames und leider immer wieder von Pannen begleitetes Streben nach sprachlicher Korrektheit auf diese Weise unterlaufen wird, muss man doch mal kurz aufjaulen und daran erinnern dürfen, dass es im Deutschen die Möglichkeit gibt, Wörter so zusammenzusetzen, dass ein neues daraus entsteht. So zum Beispiel wird aus der an Formen reichen Hose und dem durch Kraft beeindruckenden Träger ein einmaliges Drittes, nämlich der für seine stillen Dienste zu Recht geschätzte Hosenträger . Wenn nun dem Grundwort Singer (besser wäre Sänger , denn so heißen diese Leute nun mal) das Bestimmungswort Meister vorgeschachtelt wird, so haben wir den Meistersinger/-sänger , der dem Hosenträger insofern aufs Haar gleicht, als es keinen Grund gibt, ihn getrennt zu schreiben. Für die legitime Getrenntschreibung findet sich eine Menge anderer Beispiele: Meister Proper, Meister Eckhart, Meister Eder (und sein Pumuckl), Meister Bertram (von Minden), Meister des Frankfurter Paradiesgärtleins und so fort.

Richtig geschrieben war das ominöse Wort kurioserweise bei dem Hinweis, die vollständige Titelliste finde man unter www.sz-shop.de/meistersinger. Wer das eingibt, wird jedoch enttäuscht. Es erscheint nämlich der Hinweis: "Diese Seite ist leider nicht vorhanden."

© SZ vom 4./5.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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