Sprachlabor (226)Gebremstes Lachen

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Ein Becher mit dem Venussymbol ♀ für die Frau und ein Becher mit dem Marssymbol ♂ für den Mann.
Ein Becher mit dem Venussymbol ♀ für die Frau und ein Becher mit dem Marssymbol ♂ für den Mann. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger hält Verben und den Gau auseinander.

DER WILLE ZUR IRONIE allein garantiert noch keine astrein ironischen Ergebnisse. Leserin T. zumindest konnte nur gebremst lachen, als eine parodistisch gemeinte Parteitagsrede mit "Liebe Delegiertinnen und Delegierte" begann. Der Joke mit den "Delegiertinnen" war insofern nicht ganz unberechtigt, als die Angst vor feministischer Zucht mancherorts schon "Mitgliederinnen" hervorgebracht hat. Dessen ungeachtet hat Frau T. natürlich recht, wenn sie anmerkt, dass die korrekte "Delegierte" eine "Delegiertin" überflüssig macht.

SO SEHR SICH die lateinischen Verben dicere und ducere gleichen, so unterschiedlich ist ihre Bedeutung: Das eine heißt sagen , das andere führen . Entsprechend sauber sollte man, so Leser M., die von ihnen abgeleiteten Wörter Diktion und Duktus auseinanderhalten. Als das Streiflicht sein Garn einmal in Andrea Nahles' Worten fortspinnen wollte, nahm es sich vor, in ihrem "Duktus zu bleiben", blieb jedoch realiter nur in ihrer Diktion. Freilich, in einem höheren Sinn war die Sache schon in Ordnung, nämlich wenn gemeint war, dass die "charakteristische Art der künstlerischen Formgebung" ( Duktus lt. Duden) der Nahles'schen Rede imitiert werden sollte.

DER GAU HAT ES SCHWER gehabt in jüngster Zeit. Nicht genug damit, dass die NSDAP das "Reich" in "Gaue" mit je einem "Gauleiter" an der Spitze aufteilte, wurde er bald danach auch noch zum Akronym für "größter anzunehmender Unfall". Auf einen vergleichsweise kleinen Unfall weisen etliche Leser hin: auf die Überschrift "Das Chiemgau hat den Blues" in unserer Fernsehbeilage. Nun muss man dazu sagen, dass uns diese Beilage fertig zugeliefert wird. Da wir sie aber quasi auf dem Sozius mitnehmen, müssen wir auch dafür einstehen, dass das statt der Chiemgau geschrieben worden war. Kein Zweifel, dass der Gau heute ausschließlich maskulin gebraucht wird, doch sollte man, um für die neutrale Form wenigstens eine Erklärung zu liefern, daran erinnern, dass der Gau hier im Süden immer mit dem im Volksmund höchst lebendigen Gäu konkurriert, einem Neutrum, wie das Allgäu gut belegt. Laut Grimm haben die Norddeutschen sowie die Geografie das Gau durch den Gau ersetzt, eine Regelung, der "nun selbst die Süddeutschen sich gern fügen". Gern? Lassen wir das mal so stehen und fragen wir uns, was mit dem Chiemgau los ist, dass er den Blues hat. Das ist eine neuerdings grausig grassierende Krankheit, in ihrer Virulenz nur der zu vergleichen, dass jemand den Groove hat und uns auf Teufel komm raus rockt. Mögen sie alle drei zur Hölle fahren.

© SZ vom 07/08.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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