Süddeutsche Zeitung

Sprachlabor (138):Der Deppen-Apostroph

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt einen neuen Berufsstand, einen besonderen Parkplatz und Graffiti.

"DINGE GEHEN VOR im Mond, die das Kalb selbst nicht gewohnt", heißt es in Christian Morgensterns Gedicht "Mondendinge". Es gehen jedoch nicht nur im Mond seltsame Dinge vor sich, sondern auch in unserem Feuilleton, wo zur Bewertung von Helmut Dietls neuem Film auch "Dietls Albtraum" herangezogen wurde. Das an sich wäre noch nicht seltsam, sprachlich jedenfalls nicht, doch wurde der Albtraum an der prominentesten Stelle der Kritik, in der Überschrift, nicht als "Dietls Albtraum" präsentiert, sondern als "Dietl's Albtraum", und damit war die Sache plötzlich in jenem Geisterreich, wo sich "Toni's Freilandeier", das "Wiener Schnitz'l" und die "Änderung'sschneiderei" nächtens zum Tanz der Hexen treffen. Unsere Leserin W.-G. hat sich über diesen "Deppen-Apostroph" sehr erbost, und wir können uns vor ihrem Zorn nicht einmal hinter der Rechtschreibreform verstecken. Die lässt den Apostroph vor dem Genitiv-s nämlich allenfalls dann zu, wenn damit eine Namensverwechslung vermieden wird (§ 97): Andrea's Blumenecke könnte ohne Apostroph als ein Mann namens Andreas Blumenecke verstanden werden. Eine Verwechslung mit dem Regisseur Dietls war in der Rezension jedoch nicht zu gewärtigen.

MÖGLICHERWEISE saß dem Kollegen der Schalk im Nacken, als er über die NSU-Terroristen schrieb: "Sie verdienten mit Banküberfällen viel Geld." Es sei ihm, schrieb Leser R. daraufhin, bisher nicht bewusst gewesen, dass "Banküberfälle dem Geldverdienen dienen". Weil wir das ganz ähnlich sehen, geben wir hier vorsorglich zu Protokoll, dass wir weder selbst mit Banküberfällen unser Geld verdienen noch das Überfallen von Banken für einen gutbürgerlichen Ausbildungsberuf halten.

WUNDERWELT der Automobile! In einer Vorschau auf die für 2012 angekündigten Modelle hieß es, die Alltagsautos würden "immer emotionaler". Das bedeute aber nicht, "dass Sportwagen den Ehrenplatz in der Tiefgarage des Herzens aller Autofans verloren hätten". In Zeiten des guten alten Stimmungsliedes hielt man das Herz für ein Bienenhaus, worin die Mädchen die Bienen waren. Gut zu wissen, wo der Sportwagen steht, wenn eine dieser Bienen einmal richtig nobel ausgeführt werden will: links unten in jenem Teil, den der Mediziner apex cordis nennt.

"DAS GRAFFITI" ist, wie Leser W. anhand seines neuerlichen Vorkommens anmahnt, so sinnlos wie "der Leute" oder "der Ferien", mit dem Unterschied, dass es hier eine Singularform gibt: das oder der Graffito . Der nächste Kollege, der das versemmelt, muss Herrn W. auf einen Spaghetto carbonaro einladen.

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Quelle:
SZ vom 18./19.02.2012/ib
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