Süddeutsche Zeitung

Prämien für Krankenhaus-Überweisung:"Betrug an der Solidargemeinschaft"

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Krankenhäuser sollen Ärzten "Fangprämien" für die Überweisung von Patienten gezahlt haben. SZ-Leser sind empört und kritisieren das System.

Zu Prämien für Überweisungen ins Krankenhaus schreiben Leser:

""Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte sind längst ein offenes Geheimnis" schreibt Werner Bartens. Geheimnis würde ich nichts benennen, was trivial ist. Wenn ein selbständiges Unternehmen einem selbständigen Unternehmer Zuwendungen macht, nennt man das eigentlich nicht Bestechung. Von Vorteilsnahme kann man auch nur sprechen, wenn man den Empfänger als Angestellten, Beamten oder sonst wie abhängig Beschäftigten betrachtet.

Insofern ist etwas Wahres daran: Die niedergelassenen Kassenärzte sind allesamt Scheinselbständige, die 70 bis 95 Prozent ihres Einkommens von einem einzigen Auftraggeber, der Kassenärztlichen Vereinigung ihres Landesteils bekommen. Also doch Bestechung? Hier besteht Klärungsbedarf, auch juristischer. Dies ist auch ein Grund, warum diese Delikte nicht verfolgt werden.

Nicht die Verhinderung der Aufklärung durch die Beteiligten ist der Grund für offensichtliche Missstände, die eben kein offenes Geheimnis sind, sondern andere Ungereimtheiten. Dass vom Gesundheitsministerium die Zahlen so viel niedriger angesetzt werden, dürfte auch verständlich sein. Es gibt schließlich auch Zuwendungen der Industrie und von Stiftungen an Parteien, die nicht Bestechung genannt werden dürfen, sondern Parteispenden.

Ich bin sehr gespannt, wie lange es nach der Wahl dauern wird, bis Zuwendungen der Impfstoff- und Virusmittellieferanten zur Neuen Grippe und Vogelgrippe durchsickern werden. Es ist schon komisch, dass jemand für horrende Summen bei zwei Großunternehmen Medikamente bestellt, deren Kosten er danach anderen, nämlich den Krankenkassen aufhalst, nachdem eine Medienkampagne den Bedarf geschürt hat."

Dr. Hans Baiker Detmold

Angriff auf das Vertrauen zwischen Arzt und Patient

"Die jetzt bekannt gewordenen Fälle von "Fangprämien", die Krankenhäuser an Ärzte zahlen oder die von Ärzten eingefordert werden, sind nicht nur ein Betrug an der Solidargemeinschaft der Versicherten, sondern leider wieder mal in besonderer Weise geeignet das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu untergraben. Die Vorstellung, dass Patienten nicht aus medizinischen sondern unter rein kommerziellen Gesichtspunkten an bestimmte Krankenhäuser überwiesen werden, ist beängstigend.

Richtig Angst macht aber die Tatsache, dass seit Jahren Facharztsitze direkt von Krankenhäusern aufgekauft werden. Wie unabhängig werden die Einweisungen dieser am Krankenhaus praktizierenden Kollegen sein? Ein Aufschrei der Politik ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu erwarten, denn die direkte Eingliederung niedergelassener Fachärzte in die Interessen der Krankenhauskonzerne ist erklärtes Ziel der aktuellen Gesundheitspolitik."

Dr. Andreas Hedemann Hameln

Der falsche Kronzeuge

"Herr Lauterbach als Kronzeuge gegen Ärzteprämien gehört in ein Satiremagazin. Lauterbach wird vom kapitalgesteuerten Klinikkonzern Rhön seit Jahren als Verwaltungsrat bezahlt. Durch abenteuerliche und manchmal lebensgefährliche Arbeitsverdichtung und dem Zwang zur Höchstbelegung wird die Rendite für die Aktionäre abgepresst.

Was sich nicht rechnet, wird nicht gemacht. Vor den Toren Münchens ist es sichtbar geworden. Der Notarztstandort im Altperlacher Krankenhaus, das zum Konzern Rhönklinikum gehört, wurde aufgelöst. In der Quartalsbilanz zählen keine geretteten Menschenleben, sondern Rendite."

Dr. Hans Jungk München

Keiner hat mehr den Durchblick

"Aus sicherer Quelle weiß ich, dass Krankenhäuser in Hamburg von Pflegeeinrichtungen Geld verlangen bei der Einweisung von Pflegebedürftigen. Das Gesundheitssystem stinkt und keiner hat mehr den Durchblick. Das Vertrauen schwindet weiter."

Ulrich Westphal Bargteheide

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SZ vom 21.09.2009
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