Potsdam (dpa) - Die Schriftstellerin und Brandenburger Verfassungsrichterin Juli Zeh hat sich gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Eine Impfpflicht sei eine „massive Einschränkung der individuellen Freiheit“, für die es derzeit keinen Grund gebe, sagte Zeh der „Märkischen Allgemeinen“ (Dienstag). „Um dies wirklich zu begründen, müssten wir in einer Situation sein, in der die Gefahr für die Gesellschaft durch Nicht-Impfen so hoch ist, dass es keinen anderen Weg mehr gibt. Das sehe ich momentan nicht“, so Zeh gegenüber der Zeitung.
Man müsse allerdings zwischen einer staatlichen Impfpflicht per Gesetz und der Betriebsfreiheit unterscheiden. Für den Fall, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen von ihren Angestellten eine Impfung verlangten, sagte Zeh eine Klagewelle bei den Gerichten voraus. Die Politik wäre gut beraten, wenn sich die Parlamente mit solchen Fragen schon mal befassen würden, so die im Havelland lebende Verfassungsrichterin. „Denn wenn das eine Restaurant für sich entscheidet, nur noch Geimpfte zu bedienen, und ein anderes, weil der Wirt vielleicht ein Querdenker ist, verkündet, alle reinzulassen, dann entsteht das totale Chaos und alle werden zu den Gerichten laufen, die dann etwas auffangen müssen, was die Politik versäumt hat zu regulieren“, so Zeh.
Mit Blick auf Geimpfte und Nicht-Geimpfte warnte die Autorin vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft „in der Leute, die sich aus Angst oder aus welchen Gründen auch immer nicht impfen lassen, auf einmal in einer anderen Rechtslage leben als die anderen. So etwas kann man nicht per Dekret oder durch irgendeine Verordnung entscheiden.“ Dieser Fragen müsse man sich annehmen und überlegen, wie man damit umgehen möchte. „Denn die Aggression in der Bevölkerung wächst sonst auf beiden Seiten, bei Impfgegnern wie -befürwortern.“
In ihrem neuesten Buch „Über Menschen“ befasst sich die Autorin mit Themen wie Rechtsextremismus, Populismus und Corona. Zeh hatte zuvor den Corona-Lockdown wegen seiner angeblichen Alternativlosigkeit kritisiert.
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