Mein Deutschland:Zahnlose mit Biss

Lesezeit: 1 min

Frankreichs Präsident Francois Hollande und die damalige französische First Lady Valerie Trierweiler am 7. Mai 2013 am Elysee-Palast in Paris, Frankreich. (Foto: dpa)

Frankreichs Präsident Hollande wird von seiner Ex bloßgestellt - und ganz Frankreich twittert.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Die Zähne . . . seit Tausenden Jahren sind sie mit einem sehr starken Symbolgehalt aufgeladen. Sie sind nicht nur leblose Auswüchse unseres Körpers, sondern der sehr sensible Spiegel unserer Seele. Jeder unserer Zähne soll einen emotionalen Mangel verraten, eine Furcht, ein verdrängtes Gefühl. Ein Traum über Zähne, die ausfallen, kündigt einen Todesfall an, eine Krankheit, einen großen Verlust, eine Katastrophe.

Wenn man diesen Interpretationen Glauben schenkt, dann hat François Hollande derzeit jeden Grund, sich Sorgen zu machen. Er, der Präsident, der - so behaupten es wenigstens die messerscharf formulierten Indiskretionen seiner Ex Valérie Trierweiler - die Armen die "Zahnlosen" nennt. Dieser großer Verteidiger der sozialen Gerechtigkeit soll also mit seiner Verachtung für die zahlreichen Arbeitslosen ohne Perspektive geprahlt haben, für die Rentner, die ganz sparsam leben müssen, die Geringverdiener auf dem Drahtseil? Und das alles, während die Lebensqualität der Franzosen immer mehr dahinschmilzt wie der Schnee in der Sonne? Mehr als die Bettgeheimnisse einer fragilen Frau, die sich leider zu einem erniedrigten Opfer hochstilisiert, mehr als das (unbegründete) Gerücht, dass die Szenen, die sich das Paar lieferte, für drei Millionen Euro Staatsmobiliar zerstört hätten, manifestiert sich an diesen Zähnen die Wut der Franzosen. Die Zähne könnten den winzigen Rest an Popularität, den François Hollande zerfressen.

Zum Beweis: der Sturm von Sarkasmen in den sozialen Netzwerken: "Besser lebt es sich ohne Zähne als ohne Eier, Flamby!", schreiben die einen, unter Verweis auf die legendäre Unfähigkeit dieses Präsidenten, einst als "Pudding" verspottet, eine Entscheidung zu treffen. Ein Bild zeigt Hollande mit dem zahnlosen Mund eines kleinen, alten Rentners. Ich beobachte diese französische Commedia dell'Arte aus meinem Berliner Exil, und bin geschockt über die Gewalt, die hochkocht, und den fehlenden Respekt. Die Debatte erinnert mich an die Maßlosigkeit in der Affäre Wulff. Man kann als politischer Amtsträger heutzutage nicht in Frieden leben . . . vor allem dann nicht, wenn man eine Frau mit Giftzähnen und einer schriftstellerischen Anwandlung hat.

(Foto: N/A)

Pascale Hugues ist Deutschland-Korrespondentin des französischen Nachrichtenmagazins Le Point. Sie lebt in Berlin.

© SZ vom 13.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: