Mein Deutschland:Versöhnung zwischen den Seiten

Oktoberfest oder Buchmesse - beide sind bedeutende Feste.

Agnieszka Kowaluk

64. Frankfurter Buchmesse

Besucher gehen am 13.10.12 auf der 64. Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main an einem Bücherregal vorbei. Es präsentieren sich mehr als 7.000 Aussteller auf der Frankfurter Buchmesse.

(Foto: dapd)

Dass das Münchner Oktoberfest im September stattfindet, leuchtet mir vollkommen ein. Schließlich mussten wir in den Schulen des Ostblocks der Oktoberrevolution auch im November gedenken. Unvergesslich die kostbaren Dreiviertelstunden, in denen man in der Turnhalle ein Schläfchen machen oder Hausaufgaben abschreiben konnte. Auf dem Oktoberfest aber kann man nur Oktoberfest haben, und wer sich dem entziehen möchte, geht zur Wiesn-Zeit besser gar nicht Richtung Theresienwiese.

Zum Glück gibt es noch ein deutsches Großereignis im Oktober, auch mit Riesenzelten - Hallen genannt - unzähligen Gästen aus dem Ausland und dem Zwischenbereich im Freien, wo sowieso das Schönste passiert und man im Durchlauf von einer Halle in die andere wie auf dem Krakauer Altstadtmarkt mindestens drei Bekannte trifft. Man trinkt zwar eher Kaffee als Bier, aber die Atmosphäre ist ähnlich rauschhaft. Statt Lebkuchenherzen trägt man Papiertüten mit ebenso lustigen Sprüchen drauf und Büchern drin.

Das Wort Messe passt tatsächlich in seinen beiden Bedeutungen zu dem Ereignis in Frankfurt. Hauptsächlich werden hier Titel ge- und verkauft - das Buch als Produkt, Büchermenschen als Geschäftsleute, Kapitalismus in reinster Form. Manche aus der Branche bleiben der Messe fern, fahren in der Zeit lieber ans Meer zum Lesen. Oder bleiben am Schreibtisch, um zu schreiben oder zu übersetzen. Und doch hat die Buchmesse auch etwas von einem Fest. Mir gefällt der Gedanke, dass die Fachbesucher allesamt Menschen sind, denen es daran liegt, dass andere Menschen schöne Bücher lesen, und dass einander - geschäftlich oder privat - erteilte Buchempfehlungen eine Art Zeichen des Friedens und der Versöhnung sind.

Ich mag auch den Gedanken, dass es kein Zufall ist, dass die wichtigste Buchmesse der Welt in Deutschland stattfindet. Die Banktürme der Frankfurter Skyline können noch so hoch sein - ohne die Position, die das Buch in Deutschland hat, wären die ganzen deutschen und ausländischen Titel auf dem Messegelände nur schöne Ausschmückung. Ich liebe nicht zuletzt deutsche Bibliotheken, die die neuesten Titel besorgen, aber vor allem Stätten sind, wo kleine Kinder rotwangig vor Glück werden angesichts all der wunderschönen Bücher, in denen sie dort gleich auf dem Schoß ihrer Mama oder später zu Hause blättern können.

Agnieszka Kowaluk ist Journalistin und Literatur-Übersetzerin. Sie berichtet unter anderem für die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza.

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