Mein Deutschland:Unabhängigkeit - und was dann?

Vor dem Schottland-Referendum am 18. September

Der ehemalige Schulleiter und leitende Lokalpolitiker Jim Smith steht am 5. Juli 2014 auf dem Bank Hill am Ufer des Tweed in Berwick und zeigt mit den Händen in Richtung Schottland (Norden, vorne) und England (Süden, hinten). Berwick-upon-Tweed, die nördlichste Stadt Englands könnte wieder Grenzstadt werden, falls sich die Schotten per Referendum von Großbritannien lossagen.

(Foto: dpa)

Am 18. September 2014 wird ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich stattfinden.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Kürzlich besuchten wir die schottische Hauptstadt Edinburgh, wo wir von unserem ansonsten gelassenen Reiseleiter eine Schimpftirade über schottische Politiker hörten. Er betonte, dass sie ihm erst noch erklären müssten, was im Falle einer schottischen Unabhängigkeit eigentlich mit dem Bildungs-, Gesundheits- und Verteidigungssystem, der Queen, der Währung, der Ölindustrie oder der EU-Mitgliedschaft passieren würde. Mein deutscher Lebensgefährte und ich waren berührt von der Leidenschaft, mit der er seine Unsicherheit vor dem Unabhängigkeitsreferendum am 18. September äußerte. Leider werde ich wohl nie erfahren, wie er sich an diesem Tag entscheiden wird, der einer der folgenschwersten in der Geschichte der britischen Inseln werden könnte.

Dass das Referendum fast zum 25. Jubiläum des Mauerfalls stattfindet, entbehrt für mich nicht einer gewissen Ironie. Von diesem mächtigsten Symbol für eine geteilte Nation blieben nur ein paar Überreste. Dennoch ist die Berliner Mauer die fünftbeliebteste Touristenattraktion Deutschlands. Die Mauer ist Geschichte, und doch wirkt ihre Symbolkraft nach. Der Slogan jener, die das Vereinigte Königreich zusammenhalten wollen, ist "Besser gemeinsam". Das erinnert an eine Regierungskampagne nach der deutschen Wiedervereinigung. Auf einem Plakat sah man ein Baby, das das Laufen lernte, mit dem Untertitel: "Auf einem Bein kommen wir nicht weiter."

Ich selbst sehe mich zunächst als Engländerin, dann als Britin, dann als Europäerin mit irischen und schottischen Wurzeln. Ich bin stolz auf alle diese Identitäten, und es fällt mir schwer, sie voneinander zu trennen. Daher macht es mich so nervös, wenn ich an das Referendum denke. Was wird Großbritannien ohne Schottland sein? Und Schottland ohne Großbritannien? In Berlin wohne ich in der Wattstraße, benannt nach dem schottischen Erfinder James Watt. Kann ich ihn noch einen Landsmann nennen, wenn Schottland sich für Unabhängigkeit entscheidet? Ohne die Schotten können sich die Engländer eigentlich nur damit trösten, dass der Hadrianswall, mit dem die alten Römer einst die Grenze zu Schottland markierten, seine Wiederauferstehung als Touristenattraktion feiern kann. Vielleicht wird er sogar so beliebt wie die Berliner Mauer.

Kate Connolly berichtet für den Guardian und den Oberserver aus Berlin.

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