Mein Deutschland:Scherzkeks Silvio

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In Italien benehmen sich Politiker wie Komiker und Komiker wie Politiker.

Alessandro Melazzini

Meine Heimat Italien ist ein komisches Land. Dort benehmen sich Politiker wie Komiker und Komiker wie Politiker. Zugegeben, bisher ist kein Politiker im Bel Paese auf die Idee gekommen, selbst auf die Bühne zu treten und als Kabarettist eine Show anzubieten, wie es der Münchener Ultrabürgermeister Christian Ude tut.

Aber das ist auch gar nicht notwendig. Berlusconis unerschöpfliche Schaffenskraft beim Erzählen immer neuer Witze, in denen der Premierminister gerne selbst die Hauptrolle spielt, ist unübertrefflich, zumal er dies nicht in seiner Freizeit, sondern vor allem im Amt tut.

Politische Gegner mögen diese Späße verachten, Berlusconis Wähler schätzen jedoch die unbekümmerte Witzelei.

Denn sie fühlen sich darin bestätigt, dass der Scherzkeks Silvio ein Mensch wie du und ich geblieben ist, obwohl er doch steinreich und beinahe so mächtig ist wie ein Monarch.

Manchmal treffen jenseits des Brenners sogar Politiker und Humoristen aufeinander, wie im neuen Buch des Senators, ehemaligen Staatsanwalts und Führers der Oppositionspartei "Italien der Werte", Antonio Di Pietro, das eine Vorrede des bissigen Bloggers und Komikers Beppe Grillo enthält.

Solche Entwicklungen bringen mich nicht unbedingt zum Lachen, da Satire sich durchaus mit Politik beschäftigen darf, die Satiriker sich aber von Politikern egal welcher Couleur tunlichst fernhalten sollten, um ihre Unabhängigkeit bewahren zu können.

Anderenfalls laufen sie Gefahr, sich instrumentalisieren zu lassen und dabei Sprachrohr statt Kritiker der Politiker zu werden, wie im Fall jener Zeitungen, die der Familie Berlusconi gehören und die regierungstreuen Humor betreiben. Was nichts anderes ist als pervertierte Satire.

Umgekehrt sollten Politiker immer im Stande sein, die gegen sie gerichteten Witze als Tribut an die Demokratie mit einer mehr oder weniger guten Miene zu ertragen, auch wenn der Ton der falsche ist. Zweifelsohne kann man den KZ-Vergleich von Bruder Barnabas beim diesjährigen Nockherberg tadeln und ihn ungeschickt, wenn nicht gar plump finden.

Man darf sich sogar darüber empören, wie es verständlicherweise die Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, tat.

Dass aber Außenminister Guido Westerwelle sich eine weitere Einladung für die Veranstaltung verbeten hat, zeugt von einem sonderbaren Politikverständnis. Wäre Fastenprediger Michael Lerchenberg aus innerer Überzeugung zurückgetreten, hätte man das verstehen und sogar schätzen können.

Dass er aber wegen des politischen Drucks, wie er selbst sagte, die Kutte ausziehen musste, ist ein Pyrrhussieg für die Demokratie. Zumal Barnabas-Hauptzensor Westerwelle Führer einer Partei ist, die die Freiheit auf ihre gelb-blauen Fahnen geschrieben hat.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Alessandro Melazzini arbeitet als Kulturkorrespondent für die italienische Tagezeitung Il Sole 24 Ore.

© SZ vom 13.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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