Mein Deutschland:Private Freude

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Die Franzosen wollen statt Baby-Geschrei lieber greifbare Krisenlösungen.

Pascale Hugues

Donnerwetter! Welches Staatsoberhaupt kann solche Heldentaten in seinem Privatleben vollbringen, während es an der Macht ist! Nicolas Sarkozy hat alle Rekorde gebrochen. Seit seiner Wahl vor vier Jahren hat er sich zuerst scheiden lassen, dann hat er sich in ein schillerndes Top-Modell verliebt, anschließend wieder geheiratet, und jetzt, wie um dem allen die Krone aufzusetzen, ist er der erste französische Präsident, der im Amt ein Kind in die Welt gesetzt hat. Nur Felix Faure, der illustre Präsident der Dritten Republik, hat noch stärker aufgetrumpft. Er starb an einem Gehirnschlag - in den Armen seiner Geliebten im blauen Salon des Elysée-Palastes. "Verstorben während der Ausübung seiner Funktionen", lautet der wunderbare Nachruf auf dem Grabstein des Präsidenten auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise.

Frankreichs First Lady, Carla Bruni-Sarkozy, 43, hat am 23. Oktober 2011 mit ihrer Tochter Giulia (geboren am 19. Oktober 2011) das Krankenhaus La Muette im 16. Pariser Arrondissement verlassen. (Foto: REUTERS)

So weit ist Sarkozy noch nicht. Noch wissen wir nicht, ob die Niederkunft der First Lady genügen wird, um die angeschlagene Popularität des Präsidenten einige Monate vor den Wahlen zu verbessern. Die letzten Umfragen bescheinigen dem Staatschef das niedrigste Popularitätsniveau seit Beginn seines Mandats 2007. Die meisten Franzosen geben an, eine negative Meinung über ihn zu haben. Und als ob das nicht genügte, hat kürzlich auch noch Sarkozys Rechte ihre Mehrheit im Senat verloren, und die Sozialisten haben sich mit François Hollande einen Kandidaten erkoren.

Wahrscheinlich kann das von der Vorsehung gesandte bébé daran nichts ändern. Es könnte sich gar als negativ herausstellen, wenn man das kleine Mädchen zu sehr der Öffentlichkeit aussetzte - wie es zuvor die britischen Regierungschefs James Cameron und Tony Blair gemacht haben. Überdies haben seine Eltern bereits beschlossen, aus ihrer Tochter keine mediale Babyrassel zu machen. Am Tag nach ihrer Geburt wusste man weder das Gewicht noch die Größe, ja nicht einmal den Vornamen der Neugeborenen. Und Carla Bruni hat bereits angekündigt, dass es keine strahlenden Familienfotos auf der Treppe des Elysée geben werde.

Frankreich ist ohnehin in einem zu schlechten Zustand, um angesichts einer Baby-Wiege den Kopf zu verlieren. Da ist die Wirtschaft, der es schlecht geht, da sind die großen Banken, die wackeln, und die Krise verschlechtert sich. Es ist nicht die Neugeborenen-Station der Klinik von La Muette in Paris, wo Sarkozy wieder auferstehen kann, sondern das EU-Gipfeltreffen und der G-20-Gipfel in Cannes in wenigen Tagen. Die Franzosen wollen greifbare Lösungen der Krise, kein Baby-Gepiepse.

Außerdem hat Nicolas Sarkozy großes Interesse an Diskretion. Die Franzosen haben die fast amerikanisch anmutende mediale Darstellung seines Privatlebens zu Beginn der Amtszeit nicht gemocht: Das Dinner im Le Fouquet am Wahlabend. Der badebehoste Sarkozy im Kanu mit seinem Sohn Louis auf einem amerikanischen See. Sarkozy und Carla, ein turtelndes Liebespaar in Disneyland, in Jordanien, auf der Terrasse eines Pariser Cafés. Die Franzosen können diese Inszenierungen nicht mehr ertragen. Sie werfen ihrem Präsidenten-Monarchen vor, sein Amt zu entwerten, ja, es sogar zu entweihen; sie vermissen sogar die puritanische Diskretion de Gaulles.

Wenn Nicolas Sarkozy 2012 im Amt bleiben will, tut er gut daran, sein neues Glück nicht zu sehr auszubreiten. Gala und Bild müssen ihren Hunger zügeln.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland und ihre Heimat. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

© SZ vom 22./23.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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