Mein Deutschland:Lasst sie erzählen!

ZDF-Dreiteiler 'Unsere Mütter, unsere Väter'

Der Schauspieler Volker Bruch (l) in der Rolle des "Wilhelm Winter" und der Schauspieler Tom Schilling als sein Bruder "Friedhelm Winter" stehen bei den Dreharbeiten für den Film "Unsere Mütter, unsere Väter" auf dem Gelände der ehemaligen Hildebrandschen Mühle in Halle/Saale.

(Foto: dpa)

Nicht empören, sondern in Erfahrung bringen.

Agnieszka Kowaluk

"Unsere Mütter, unsere Väter", von denen der im ZDF gezeigte Dreiteiler erzählte, sind die Großmütter und Großväter meiner Freunde. Über die sie allerdings oft nicht besonders viel wussten. Ich sah mir den Film eher aus Pflichtgefühl an. Nicht, weil ich Angst vor grausamen Szenen hätte - ich kenne einige polnische und russische Kriegsfilme - sondern davor, als Zuschauer in eine unkomfortable emotionale Lage zu geraten. Ich hatte recht: Es war nicht einfach, in den fünf Freunden aus Berlin nur Filmfiguren zu sehen. Für mich waren es "jene Deutsche". Das niedergebrannte Dorf irgendwo im Osten hätte das Dorf meiner Großmutter sein können. Der Film war nicht für mich produziert worden, und das nicht nur wegen des seltsamen Polnisch, das die Partisanen sprachen.

Wie vielen polnischen Zuschauern ist auch mir nicht entgangen, wie einseitig die polnische Episode im Vergleich zu den ausdifferenzierten deutschen Schicksalen der fünf Protagonisten ausfiel. Wegen der pauschalen Darstellung der polnischen Widerstandskämpfer als kalte Antisemiten protestierten sowohl polnische Medien als auch der polnische Botschafter in Berlin als auch die Zuschauer. Wäre das Thema nicht so ernst und wären manche Reaktionen mittlerweile nicht so zugespitzt, würde man über die Debatte, die daraufhin in den größten Zeitungen auf beiden Seiten der Oder losging, schmunzeln. Viele Deutsche äußerten ihr Verständnis nach dem Motto: "Lasst die Polen sich empören!" Unter den Polen fanden sich nicht wenige, die die Aufregung mit "Lasst die Deutschen erzählen!" quittierten.

Die große polnische Autorin Hanna Krall, die die deutsche Besatzung als Kind in einem Versteck überlebt hat, sagte, jede Generation müsse ihre eigene Sprache finden, vom Krieg zu erzählen. Wenn sie von Einzelschicksalen erzählt, schreibt sie nie nur von den Juden, den Polen oder den Deutschen. "Die erste Pflicht des Menschen ist es, sich nicht zu empören, sondern in Erfahrung zu bringen, was passiert ist, und zu versuchen, es zu verstehen. Die Nachkriegskinder waren voller Empörung und haben es nicht geschafft, alles zu erfahren." Hanna Krall erzählt seit Jahren den Deutschen und den Polen, was mit Menschen passiert ist. Es lohnt sich, sie zu lesen.

Agnieszka Kowaluk ist Literaturübersetzerin und berichtet unter anderem für die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza.

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