Mein Deutschland:Keine Wahl, nirgends

Syrians vote for president

Ein Wähler markiert die Wahlkarte mit seinem eigenen Blut. Am 3. Juni 2014 fand in, vom Bürgerkrieg zerstörten, Syrien zum ersten Mal seit 1970, seit fast 45 Jahren, wieder eine Wahl statt.

(Foto: dpa)

Bei den syrischen Präsidentschaftswahlen traten zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder mehrere Kandidaten an.

Eine Kolumne von Aktham Suliman

Ghada Shouaa, 41, ist die einzige Syrerin mit Olympiagold (1996 in Atlanta). Seit Jahren lebt die ehemalige Leichtathletin und Siebenkämpferin in Deutschland. Zu sehen war Ghada letzte Woche auf dem Bildschirm eines arabischen Fernsehsenders bei der Berichterstattung über die Präsidentschaftswahlen in der syrischen Mittelmeerstadt Tartus. Original-Ton Ghada: "Den Syrern in Deutschland wurde verboten, in ihrer Botschaft zu wählen. So flog ich hierher, um abzustimmen." Mitte Mai hatte das Auswärtige Amt der syrischen Botschaft in Berlin verboten, die Wahlen abzuhalten, weil diese eine "Farce" seien.

Als die Syrer früher wie bei einem Referendum nur mit "Ja" oder "Nein" den allein antretenden Präsidenten bestätigen konnten, oder auch nicht, gab es folgenden Witz: Ein Mann geht "wählen". Kaum war er alleine hinter dem Vorhang, verführte ihn der Gedanke, doch mit "Nein" zum "Staatsoberhaupt" zu stimmen. Zu Hause angekommen, erzählte er seiner Frau von seiner mutigen Tat. Diese war aber gar nicht begeistert: "Du Dummkopf! Der Geheimdienst hat bestimmt versteckte Kameras in den Wahlräumen installiert, um die Nein-Stimmer zu identifizieren." Er bekam Angst, ging zum Wahllokal zurück und beklagte sich beim Wahlleiter: "Mir ist etwas Peinliches passiert. Ich hatte vor lauter Aufregung einen Zitteranfall und meine zitternde Hand machte das Kreuz beim Nein, obwohl ich das Ja ankreuzen wollte." Daraufhin der Wahlleiter: "Keine Sorge, lieber Bürger! Die zuständige Behörde hat den Fehler sofort bemerkt und korrigiert."

Ein veralteter Witz - nicht nur, weil bei den jüngsten syrischen Präsidentschaftswahlen zum ersten Mal seit Jahrzehnten mehrere Kandidaten antraten, wie Regierungsanhänger betonen würden. Auch nicht nur, weil sich das Land seit drei Jahren in Unruhen befindet und Präsidentschaftswahlen mit einem oder mehreren Kandidaten nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses stehen, wie Oppositionsanhänger argumentieren würden. Sondern, weil der Witz inzwischen so lauten müsste: Eine Syrerin in Deutschland erzählt lachend: "Mein Mann konnte bei den Wahlen diesmal keine Dummheiten anstellen. Die deutsche Behörde hat die Wahlen erst gar nicht stattfinden lassen."

Aktham Suliman ist freier Journalist. Er lebt in Berlin.

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