Als Angela Merkel nach Kanada reiste und mit Premierminister Stephen Harper sprach, stachen vier Kernpunkte des Treffens hervor. Die Bundeskanzlerin sah sich mit einem Land konfrontiert - einem von zwei G-20-Ländern, die zum Euro-Rettungsschirm nichts beisteuern -, das sich von Europa abwendet. Großes Interesse zeigte Kanada aber daran, das Freihandelsabkommen schnellstmöglich mit der EU abzuschließen. Das Ahornland erhofft sich davon einen Vorteil von zwölf Milliarden Dollar pro Jahr.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterhält sich am 15. August 2012 in Harrington Lake in der Nähe von Ottawa mit dem Premierminister von Kanada, Stephen Harper, auf dem Anwesen seiner Sommerresidenz. Die Kanzlerin wird weiter nach Halifax reisen, dort die Dalhousie-Universität besichtigen und sich über die Meeres- und Polarforschung informieren.
(Foto: dapd)Nur am Rande streiften Merkel und Harper das Thema Umwelt. Sanft, aber streng deutete Merkel auf die hohen Kohlenstoffemissionen der Ölsande in Alberta und tauschte auf dem Rückweg Meinungen mit Wissenschaftlern über Planktonbestände aus. Aufgrund der Haushaltsdisziplin sei Kanada aber ein Vorbild für Europa, betonte Merkel.
Was mich an Merkels Spätsommer-Kanadareise verblüfft, ist, dass dabei ein Bild herausgekommen ist, das in frappierender Weise mein eigenes Deutschland widerspiegelt. Mein Deutschland hat sich von Europa abgewendet - es ist nach Kanada gekommen. Es ist durch das Land gereist und hat einen Obstgarten angebaut, der später den kanadischen Hundertdollarschein schmückte. Es hat dort ein Haus gebaut, das meine jungen Jahre mit dem Duft von mit Herzmuster verzierten Holzmöbeln füllte.
Wie Merkels Kanada kam mein Deutschland mit dem Freihandel zur Entfaltung, als Kirschenanbauer und Töpfer, sodass in meiner Kindheit das Großelternhaus ständig von Kunden besucht wurde, die dort Keramikstücke erwarben. Wie Merkels Kanada war mein Deutschland umweltfreundlich. Sein Garten war ein Urwald, wo leckende Bewässerungsleitungen ganze Seen formten. Merkel erkennt in Kanada ein Vorbild - wie ich in meinem Deutschland. Wie in der Weisheit: Man nehme etwas Rückenspeck vom Schwein, dann tue es ihm nicht so weh. Allwissend erklärte mein Deutschland meiner Mutter, auf welchen Ast sie springen muss, um Tigern zu entweichen.
Mein Deutschland war mein Großvater. Er wanderte nach Kanada aus und starb, als ich sieben Jahre alt war. Er brachte mein Deutschland mit.
Der Kanadier John Lambert ist Final Editor der englischen iPad-Ausgabe des Monopol Magazins . Er lebt in Berlin.