Mein Deutschland:Gaza mit deutschen Augen

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Ein Palästinenser geht vorbei an einem Feuer in einer Straße mit zerstörten Häusern in Shejaiya. Shejaiya war 2014 einer der am schwersten betroffenen Stadtteile während den Kämpfen zwischen Hamas und Israel.

(Foto: AFP)

Dabei sein, wenn solche Dinge geschehen, ist sehr wichtig.

Eine Kolumne von Aktham Suliman

Dabei sein ist nicht unbedingt alles. Dabei sein ist aber die Voraussetzung für eine authentische Kriegsberichterstattung. Nur wenn die Geschehnisse hautnah erlebt werden, lassen sich Kriege als solche erkennen und von Journalisten und Autoren als das wiedergeben, was sie immer schon waren: ein Verbrechen an der menschlichen Seele. Statistiken, Dokumentationen und Gedenkveranstaltungen reichen nicht aus, um etwa den Ersten Weltkrieg zu beschreiben. Einige Zeilen des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Hašek in seinem unvollendeten Roman "Der brave Soldat Schwejk" aber schon. Denn er war dabei.

Auch der jüngste Gaza-Krieg ist "nur" ein Krieg - mit den entsprechenden Leiden der Menschen jenseits von Pro- und Kontra-Kommentaren. Diese einfache Erkenntnis haben wir vor allem deutschen Aktivisten wie Jürgen Todenhöfer und freien Journalisten wie Martin Lejeune zu verdanken. Todenhöfer schrieb einen beeindruckend höflichen und ergreifenden offenen Brief an den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, in dem er ihn fragte: "Haben Sie sich schon mal vorgestellt, wie es wäre, wenn Sie nicht in Tel Aviv, sondern in Gaza auf die Welt gekommen wären?" Was folgte, war die Beschreibung des Schicksalschlags namens "born in Gaza".

Lejeune machte sich so sehr zu einem Augenzeugen, dass ihn nicht nur die deutsche Presse zitierte, sondern auch die arabische. In einem tagebuchähnlichen Artikel beschrieb Lejeune den "Gaza-Krieg mit deutschen Augen", wie die libanesische Zeitung Al-Akhbar seinen Artikel betitelte.Und tatsächlich: Nur jemandem vor Ort fällt auf, dass im Krieg die Privatsphäre leidet, wenn mehr als sechzig Personen Schutz in einem Haus suchen, dass die Geldautomaten kein Geld mehr ausspucken und dass ein Esel sich nach einem Raketeneinschlag ganz eigenartig verhält.

Dabei zu sein, wenn solche Dinge geschehen, bedeutet sehr viel und ist wichtig. Deswegen: Ja zu mehr deutschem Engagement auf den Weltbühnen wie dem Nahen Osten - mit Aktivisten und Journalisten, versteht sich.

Aktham Suliman ist freier Journalist. Er lebt in Berlin.

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