Süddeutsche Zeitung

Mein Deutschland:Flexibles Paar

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Angela Merkel braucht den jungen, energiegeladenen Matteo Renzi.

Eine Kolumne von Giovanni Maria Del Re

Von Dienstag an ist Italien sechs Monate lang EU-Präsident. Gestärkt von seinem Erfolg bei der Europawahl, strotzt Ministerpräsident Matteo Renzi nur so vor Selbstbewusstsein. Das muss irgendwie ansteckend sein, denn derzeit stellt keiner mehr in den italienischen Medien den "Stiefel" als Aschenputtel dar. Ganz im Gegenteil: Plötzlich sieht sich das Land politisch (fast) auf Augenhöhe mit Deutschland, und die Zeitungen registrieren genüsslich, wie oft auch in den großen internationalen Medien der Name Renzi erwähnt wird.

Kein anderer Regierungschef eines großen EU-Landes, abgesehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist momentan politisch so stark wie der italienische Premier. Viele Kommentatoren - auch in internationalen Medien wie der Financial Times - behaupten, jetzt, wo der französische Präsident François Hollande so schwach sei, brauche Merkel den jungen, energiegeladenen Matteo Renzi unbedingt. So ist der italienische Premier zum Beispiel mitentscheidend bei der Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten - worüber die 28 Regierungschefs beim EU-Gipfel diese Woche debattiert haben.

Eines kann man sicher sagen: Die Chemie stimmt einfach zwischen Merkel und dem italienischen Ministerpräsidenten. Und nachdem Renzis Demokratische Partei in der Europawahl mehr als 40 Prozent der Stimmen ohne verbale Angriffe auf Deutschland gewonnen hat (während die Partei des Merkel-Beschimpfers Silvio Berlusconi auf 16 Prozent abgesackt ist), sind die Attacken gegen Berlin in den italienischen Medien abgeflaut. Jetzt reden alle von Merkels "Verständnis" Rom gegenüber. Die Bundeskanzlerin und der italienische Ministerpräsident haben schon eine gemeinsame Sprache gefunden, das Zauberwort heißt "Flexibilität": Renzi verzichtet darauf, eine Abschwächung oder gar eine Änderung des Stabilitätspaktes zu verlangen, dafür betont Merkel ausdrücklich, dass man die schon in den Verträgen vorhandene Flexibilität viel besser nützen sollte, um mehr Investitionen in den wirtschaftlich geschwächten Ländern wie Italien oder Frankreich zu ermöglichen. Wenn diese Zusammenarbeit wirklich funktioniert, dann kann die ganz EU davon profitieren.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der italienischen Tageszeitung Avvenire. Er lebt in Brüssel.

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Quelle:
SZ vom 28./29.06.2014
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