Mein Deutschland:Flaute in der Teetasse

Bundestagswahl 2013

Rote Wahlbriefe zur Bundestagswahl 2013 liegen in einem Briefwahllokal in Friedrichshain (Berlin).

(Foto: dpa)

Wer macht den deutschen Kanzlern Konkurrenz?

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Der amerikanische Präsident hat nur das Recht auf acht Jahre im Weißen Haus. Der französische Präsident kann zehn Jahre lang im Elysée-Palast logieren. Die italienischen Regierungschefs befinden sich seit jeher auf einem wilden Karussell, von dem sie jederzeit hinunterpurzeln können. Und ich erwähne nicht die Staatsstreiche, Komplotte, Revolutionen und andere Stolpersteine, welche die Geschichte für die Mächtigen dieser Welt bereithält. In Afrika sagt man sogar, es sei für einen Staatschef nicht gerade klug, sein Land für eine Auslandsreise zu verlassen. Denn er riskiert, dass sein Sessel bei seiner Rückkehr von einem anderen besetzt ist. Was aber könnte die Deutschen davon abhalten, Angela Merkel für vier weitere Jahre ins Bundeskanzleramt zu wählen?

Zwölf Jahre für Angela Merkel. 16 Jahre für Helmut Kohl. 14 Jahre für Konrad Adenauer. Es ist schwierig, die Jahre mit Helmut Schmidt zu zählen, der weiter hinter den Kulissen mitregiert, obwohl sein Mandat schon vor langer Zeit geendet hat. Nur Elizabeth, die britische Königin, macht mit ihren 60 Jahren auf dem Thron den deutschen Kanzlern Konkurrenz.

Diese Fähigkeit, die Regierenden an der Macht zu halten, illustriert sehr gut, wie wichtig den Deutschen - in der Politik wie auch sonst - Stabilität ist. Alles, was sich bewegt, torkelt oder sich wandelt, ist in diesem Land ein Risikofaktor. Man hat Angst, in das Unkontrollierbare abzugleiten. Daher der ständige Hinweis auf die mittlerweile sehr weit entfernte Weimarer Republik. Es vergeht keine Woche, ohne dass dieses Schreckgespenst wieder wachgerüttelt wird.

Wie viele Male, seit ich hier lebe, hat die deutsche Presse - mangels Spannung - nicht einen Sturz der Koalition, eine unlösbare Krise oder drohende Neuwahlen angekündigt. Anfangs hatte ich auch noch daran geglaubt. Kohl, das Opfer eines Putsches! Und die Liberalen diejenigen, die die Tür zur Regierung zuschlagen! Einige Tage später legt sich der Sturm und in der Teetasse herrscht wieder Flaute. Ich bereite mich nun darauf vor, mein drittes Porträt von Angela Merkel zu schreiben. Und ich gestehe, dass es mir ein wenig schwerfällt, die Inspiration dazu zu finden.

Pascale Hugues arbeitet als Korrespondentin für das französische Nachrichtenmagazin Le Point . Sie lebt in Berlin.

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