Mein Deutschland:Feiern ohne Grübeln

Muttertag

Feinste Confiserie-Pralinen werden zum Muttertag verziert.

(Foto: dpa)

Muttertag wird in Polen und in Deutschland im Mai gefeiert, nur nicht am gleichen Tag.

Eine Kolumne von Agnieszka Kowaluk

Im Mai empfinde ich zunehmend eine gewisse Konkurrenz der Feiertage zwischen Polen und Deutschen. Die Bedeutung des 1. Mai ist auf beiden Seiten der Oder klar und hier und dort freuen sich die Kinder über einen freien Tag. Dass sich die polnischen stärker freuen, hängt nicht etwa mit einem ausgeprägteren postsozialistischen Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit zusammen, sondern damit, dass auf den Arbeiterfeiertag der 3. Mai folgt. Dies ist einer der beiden größten polnischen Nationalfeiertage zum Gedenken an die älteste demokratische Verfassung Europas. "Was ist das noch mal für ein Feiertag?" fragt meine Tochter und ich antworte für gewöhnlich zuerst: "So etwas wie euer 3. Oktober", um mich dann gleich zu berichtigen: "Nein, der 3. Oktober wäre so was wie unser 11. November. Oder entspricht der 1. Mai eher eurem 9. November?" Ich nenne die Monatsnamen auf Polnisch und sie zählt fleißig an den Fingern ab, um die polnischen Namen den deutschen zuzuordnen, und so halten wir beim Frühstück eine Express-Doppelstunde in Geschichte ab.

Fallen die beide Feiertage übrigens besonders günstig, hat man in Polen neun Tage Urlaub am Stück. Unsere polnischen Freunde und ihre Kinder können wir trotzdem nicht besuchen - die deutschen Pfingstferien decken sich nicht mit dem polnischen patriotischen Wochenende.

Zum Glück gibt es dafür zwei Muttertage: den deutschen am zweiten Sonntag im Mai - der flankiert ist von allgemein geäußerten Zweifeln, ob dies auch wirklich ein Feiertag sei - und den polnischen, immer am 26. Mai, der bei uns zu Hause ganz privat und ohne Nachgrübeln darüber begangen wird, ob er nicht doch eine Erfindung der Blumenhändler war oder der Nazis (aber haben die etwa auch Anfang des letzten Jahrhunderts den amerikanischen Muttertag erfunden oder gar den polnischen?).

Im Mai (leicht zu merken, die polnische Aussprache gleicht der deutschen) haben wir ein Ereignis, dessen wir in Deutschland und in Polen gleichzeitig gedenken, wenn es auch nicht immer so war. Den 8. Mai, den Jahrestag der Kriegsendes, begangen die Polen früher am 9. Mai, so wie es Russland bis heute tut. In Deutschland war nicht immer klar, ob es ein Tag der Befreiung oder der Niederlage war.

Wenn Borussia Dortmund am Samstag die Champions-League gewinnt, dann gewinnen ein bisschen auch wir Polen. Gewinnt der FC Bayern - nicht schlimm, denn dann wird bei uns zu Hause und auf den Münchener Straßen umso rauschhafter gefeiert.

Agnieszka Kowaluk berichtet unter anderem für die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza .

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