Mein Deutschland:"El Mannschaft", habibi!

World Cup 2014 - Germany - Algeria

Mario Götze (l) für Deutschland und Algeriens Saphir Taider (r) wetteifern am 30. Juni 2014 um den Ball während der Fussball-Weltmeisterschaft im Spiel zwischen Deutschland und Algerien im Estadio Beira-Rio in Porto Alegre, Brasilien.

(Foto: dpa)

Deutsche "Maschinen" und algerische "Wüstensöhne" in der Fußball-Weltmeisterschaft 2014.

Eine Kolumne von Aktham Suliman

Nicht nur für das deutsche Selbstbewusstsein war die Fußball-WM unverzichtbar, sondern auch für die deutsch-arabische Völkerverständigung. Noch nie in der Geschichte hat sich die Bundesrepublik so intensiv mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan beschäftigt. Spätestens mit dem Achtelfinalspiel Deutschland-Algerien wusste jeder deutsche Fan, was Ramadan ist, von wann bis wann gefastet wird und vor allem, dass potenzielle "Betroffene" auch in den eigenen Reihen spielen. Am Ende waren alle glücklich. Die deutschen "Maschinen", wie sie die arabische Presse nannte, wurden Weltmeister, und die algerischen "Wüstensöhne", wie sie die deutsche Presse getauft hat (eigentlich heißen sie auf Arabisch "Wüstenfüchse"), konnten erhobenen Hauptes auf die spätere Niederlage der Brasilianer gegen Deutschland im Halbfinalspiel hinweisen und arabisch rechnen: Deutschland-Algerien 2:1, Deutschland-Brasilien 7:1 - zusammengerechnet würde das bei einem Spiel Algerien gegen Brasilien einen 5:0-Sieg ergeben.

Viele wissen nicht, welches Ansehen die deutsche Nationalmannschaft in der arabischen Welt genießt. Das Wort "Mannschaft" wurde sogar ins Presse-Arabisch integriert, wird allerdings nur für die deutsche Elf verwendet. Jedoch ist auch die Begeisterung für die "Sambatänzer" aus Brasilien grenzenlos. Von außen betrachtet scheinen die Araber momentan nur aus Sunniten und Schiiten zu bestehen. In Wahrheit besteht auch eine Teilung zwischen Anhängern von "El Mannschaft" und der "Sambatänzer". Beide Fraktionen sind gnadenlos, unversöhnlich und festgefahren in ihrer Euphorie. In der libanesischen Hauptstadt Beirut etwa lieferten sie sich bei der WM regelrechte Fahnenkriege. Nur die arabischen Frauen "bauchtanzten" aus der Reihe. Sie waren für die italienischen Jungs - allerdings aus nicht-fußballerischen Gründen.

Zur emotionalen Begeisterung kommt für die Araber in Deutschland eine identitätsstiftende Funktion von "El Mannschaft". Schon beim Autokorso auf dem Berliner Kudamm nach dem 4:0-Sieg gegen Portugal in der Vorrunde schrie ein deutscher Junge mit "arabischem Migrationshintergrund" in die Fernsehkameras: "Wir werden Weltmeister, Habibi (mein Freund, meine Liebe)!"

Aktham Suliman ist freier Journalist. Er lebt in Berlin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: