Mein Deutschland:Das neue deutsche Mädchen gegen die alte Emanze

Gleichberechtigung - Aufruhr im gesamten Land.

Pascale Hugues

Vorsicht, die neue Runde hat begonnen! Seitdem ich in Deutschland lebe, folgen die Debatten über die Gleichberechtigung mit der Regelmäßigkeit eines Schweizer Uhrwerks. Alle zwei, höchstens drei Jahre erscheint eine neue "Streitschrift" - ein Knall, kurz und gewaltig. Ein paar Wochen lang erregt sich das gesamte Land. Dem Aufruhr entkommt man nicht. Die Damen sitzen auf den creme- (fast hätte ich geschrieben: lattemacchiato)farbenen Sofas der Talkshows. Sie zeigen empört auf die anderen, sie bezichtigen sich gegenseitig allen Übels.

Scheidende 'taz'-Chefin Mika sorgt sich um die Zukunft des Blattes

Bascha Mika, Publizistin und Feministin, will die Frauen wachrütteln.

(Foto: Roland Magunia/ddp)

Es sind fast immer dieselben Karikaturen, die uns vorgeführt werden, auf beiden Seiten der Front. Jene, die ihren Latte macchiato auf den Terrassen der Cafés neben den Spielplätzen schlürfen, gegen jene, die sich, Atlas gleichend, in ihren anthrazitfarbenen Hosenanzügen gegen die gläserne Decke der Unternehmen stemmen. Das lahme Hausmütterchen gegen die Passionara der Chefetage. Die Hüterinnen der drei K gegen die Priesterinnen der Frauenstudien. Das neue deutsche Mädchen gegen die alte Emanze. Die Post-Feministinnen ohne Kinder gegen die Mütter, die ihren Bauch stolz vor sich her tragen. Eva Herman gegen Silvana Koch-Mehrin. Kristina Schröder gegen Alice Schwarzer. Und jetzt Bascha Mika gegen das gesamte Prenzlauer Berg.

Sie drehen ihre Runde - und sind schnell wieder weg. Der Streit kollabiert wie ein Soufflé, das aus dem Ofen kommt. Nichts oder fast nichts bewegt sich. Es fehlen weiterhin die Frauen in den Vorstandssesseln der deutschen Unternehmen. Es fehlen Krippenplätze und Ganztagsschulen. Das Steuersystem benachteiligt die berufstätige Frau. Die Gehälter von Männern und Frauen sind unterschiedlich. Und über allem schweben finstere moralische gegenseitige Anschuldigungen. Egal wie man es macht, man macht es falsch. Was mich am meisten überrascht, ist die Gewalt der Worte, es sind die Schläge unter die Gürtellinie, die enorme ideologische Überhöhung der Debatte, die Missachtung und Intoleranz in beiden Lagern. Feiglinge, schreien die einen. Frustrierte, die anderen. Wo bleibt die Solidarität der Frauen? Wo der Humor und der Charme, die auch Dinge voranbringen können?

Deutschland und der Feminismus, das ist ein Sonderfall in Europa. Es fällt mir schwer, mir ähnliche Debatten in Frankreich vorzustellen. Sicher, Elisabeth Badinter hat vergangenes Jahr einen Streit provoziert, indem sie auf den Zwiespalt der Mutterschaft und den Zwang zum Stillen hinwies. "Die Französin", stellte Badinter dennoch in ihrem neuen Buch "Der Konflikt" fest, entkommt noch dem Dilemma des "Alles oder nichts". Ohne das französische Modell idealisieren zu wollen, auf der anderen Seite des Rheins ist die Situation viel entspannter. Mit ihren 1,99 Kindern und ihrem Beruf, mit den Krippen und Ganztagsschulen fühlt sich die Französin, Europas Siegerin im Kinderkriegen, eher gut in ihrer Haut. Ihre Mutter hat bereits gearbeitet. Oft auch schon ihre Großmutter. Deshalb lassen uns die Wucht der hiesigen Debatte und die fehlenden Errungenschaften in der Realität eher perplex zurück.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Pascale Hugues arbeitet für das französische Nachrichtenmagazin Le Point.

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